Keine Baustelle in Italien ist derzeit so abgesichert wie diejenige bei Melendugno in Apulien. Im Süden Italiens soll die Trans-Adria-Pipeline (TAP) enden, die Erdgas von den Fördergebieten rund um das Kaspische Meer nach Europa liefern soll.
Doch die Pipeline ist sehr umstritten, nicht nur aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes. Die betroffene Gemeinde Melendugno bangt vor allem um ihren Ruf als Tourismusdestination.
Die Baustelle ist ein Hochsicherheitsbereich unter Polizeischutz. Bis zu neun Meter hohe Zäune schützen die Arbeiter – vor der Wut der Anwohner.
Seit Monaten kommt es zu Protesten. Viele Menschen im südlichen Apulien wehren sich gegen den Bau der Gaspipeline. Sie soll unter Olivenhainen verlaufen, die hunderte Jahre alt sind. An vorderster Front protestieren die Gemeindepräsidenten: sie kritisieren, dass die Bevölkerung bei der Planung kein Wort mitreden durfte.
Die Projektleitung hätte viel mehr mit der Bevölkerung in Kontakt treten sollen, erklärt Marco Potì, Gemeindepräsident von Melendugno: «Erstmal muss man doch mit den Menschen reden, wenn um sie herum etwas entsteht, was schädlich und gefährlich sein kann! Da müssen die Vor- und Nachteile transparent diskutiert werden.» Aber genau das habe die Projektgesellschaft TAP AG versäumt.
Die neue Pipeline soll Erdgas vom Kaspischen Meer bis nach Europa bringen. 60 Prozent der 870 Kilometer langen Pipeline sind bereits gebaut. Nach der griechisch-türkischen Grenze ist die TAP zuständig. Ab 2020 soll das Erdgas aus Aserbaidschan fliessen: durch die Türkei, Griechenland und Albanien, unter der Adria hindurch nach Melendugno in Apulien und von dort ins italienische Erdgas-Netz.
Einseitige Abhängigkeit vermeiden
«Die Trans-Adria-Pipeline wird dafür sorgen, dass Italien und Europa weniger vom bisherigen Gas aus Russland abhängig werden», sagt Gabriele Anza, Projektleiter von TAP Italien. «Das hilft dem Energiemarkt, wenn nicht nur ein Verkäufer als Monopolist die Preise bestimmen kann.»
Aber billigeres Erdgas interessiert in Apulien die wenigsten. Protestfahnen mit der Aufschrift «No TAP» wehen sogar über der Weihnachtskrippe im Ort. Die Angst ist gross, dass die neue Pipeline hier an der Adria im Sommer die Touristen verdrängt. «Wir arbeiten mit Touristen und wir leben vom Tourismus. Da muss ich nicht erklären, was es heisst, eine Gasröhre mitten auf dem Strand zu haben», sagt Salvatore Santoro, der in der in Zürich geboren ist und in Melendugno lebt.
(K)eine Schweizer Pipeline
Das Projekt hatte nur zu Beginn mit der Schweiz zu tun. Gleich mehrere Bundesräte waren während ihrer Amtszeit für das Projekt TAP unterwegs, um die Erdgasversorgung Europas zu sichern. Vor allem der umstrittene Präsidenten Aserbaidschans, Ilham Aljew, musst dafür überzeugt werden. Aljjew wurde in die Schweiz eingeladen, er nahm mehrmals am WEF teil und wurde auch in seiner Heimat besucht. Schliesslich erhielt die Trans Adriatic Pipeline (TAP) AG mit Sitz in Baar (ZG) den Zuschlag.
Für die Bevölkerung in Melendugno ist die TAP darum eine «Schweizer» Pipeline. Tatsächlich hat die zuständige Projektgesellschaft TAP ihren rechtlichen Sitz in Baar im Kanton Zug. Auch der Schweizer Energiedienstleistungskonzern Axpo ist an der TAP beteiligt, aber nur noch mit fünf Prozent. Die grossen Teilhaber sind die britische BP (20 Prozent), Socar aus Aserbaidschan (20) und die norwegische Statoil (19) neben anderen.
Gasförderprojekte sind aus Klimaschutzgründen umstritten. Bei der Axpo ist man von diesem Projekt aber nach wie vor überzeugt, sagt Konzernchef Andrew Walo: «Ja wir halten an der Beteiligung fest. Wir waren ja auch die Innovatoren dieses zusätzlichen Kanals für die Gasversorgung in Europa. Die letzten paar Jahre haben mit den Themen Ukraine, Northstream und Gazprom gezeigt, dass das eine sehr gute Idee war.» Die Beteiligung von fünf Prozent erachtet Walo «aus strategischen Gründen in einem diversifizierten Portfolio als richtig».
Selbstverständlich sei es aber nie gut, wenn Anwohner wie in Apulien gegen die Pipeline protestieren und darum Bewilligungsverfahren oder der Bau nicht vorwärtskommen, sagt Walo. «Wir haben viele bedeutende italienische Partner an Bord. Es ist also nicht ein Axpo-Projekt. Wir sind zuversichtlich, dass das Projekt auch aus einer italienischen Perspektive noch zu einem guten Ende kommt.»