Integra Biosciences aus Zizers/GR stellt Pipetten und dazugehörende Hochpräzisionsgeräte für Labore her, um Flüssigkeiten in ganz genauen Mengen von einem Gerät in ein anderes zu transferieren. Die Pipetten werden auf der ganzen Welt in der Forschung und zunehmend auch in der Diagnostik verwendet. Die Spitzen der Pipetten dagegen werden in den USA hergestellt.
Die Firma wächst rasant – auch, weil Laborkapazitäten wegen der Corona-Pandemie überall auf- und ausgebaut werden. Deshalb baut Integra Biosciences die Produktion von Pipetten-Spitzen jetzt in Zizers aus. «Wir hätten auch in China oder den USA ausbauen können», sagt Firmenchef Urs Hartmann. Doch jetzt werden 50 Millionen Franken in der Schweiz investiert.
Zuverlässige Lieferketten
Das habe nicht nur mit den hervorragend ausgebildeten Fachkräften und wegen des technischen Know-hows für die Präzisions-Spritzguss-Fertigung der Pipettenspitzen zu tun, so Hartmann. «Ein wichtiger Punkt ist die Zuverlässigkeit der Lieferketten.» In der Schweiz sei man innert höchstens drei Autostunden bei allen notwendigen Lieferanten. Das habe sich in der Coronakrise als grosser Vorteil erwiesen.
Für die Top-Kunden von Schweizer Industrieprodukten sind Qualität, Liefergeschwindigkeit und Zuverlässigkeit wichtig.
Mit der neuen Produktionsstätte in Zizers kann das Risiko von Unterbrüchen in der Lieferkette gesenkt werden. Das sei mittlerweile ein wichtiges Verkaufsargument, sagt Thomas Friedli, Direktor des Instituts für Technologie-Management der Universität St. Gallen.
Für die Top-Kunden, auf welche die Schweizer Industrie ausgelegt sei, seien wichtig: «Qualität, Liefergeschwindigkeit und Zuverlässigkeit». Mit einem Standort in Fernost sei das schwierig und nicht einfach zu handhaben.
Deshalb überlegen sich immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer, wie man Lieferketten verkürzen könnte. Das zeigt der neueste Swiss Manufacturing Survey des Instituts für Technologie-Management der Universität St. Gallen.
Kein einfaches Unterfangen
Rund fünf Prozent aller Schweizer Unternehmen hätten Rückholungsprojekte am Laufen, sagt Friedli. Noch viel mehr Firmen würden die Möglichkeiten prüfen. Dabei ist es alles andere als einfach, Produktionsteile, die einst beispielsweise nach Asien verlagert wurden, jetzt wieder in die Schweiz zurückzuholen. Das geht nicht von heute auf morgen.
Der Standort Schweiz ist mit jedem Standort auf der Welt absolut konkurrenzfähig.
«Plötzlich fehlt das ganze Umfeld, um die Produktion in die Schweiz zurückzubringen», weiss Institutsdirektor Friedli. «Manchmal sind auch die Lieferanten der Lieferanten bereits nicht mehr hier.» Einfacher ist es, neue Projekte in der Schweiz statt in entfernten Billig-Ländern umzusetzen. So wie es die Bündner Integra Biosciences macht.
Weniger Stellenverlagerungen ins Ausland
Doch: Lohnt es sich überhaupt, angesichts des hohen Lohnniveaus in der Schweiz, die Produktion zurückzuholen? Ja, durchaus, sagt Friedli. Denn erstens seien die Kunden bereit, mehr zu zahlen, wenn dafür die Lieferung zuverlässig komme.
Zweitens blieben die Kosten wegen der voranschreitenden Automatisierung in den Fabriken unter Kontrolle. Das bestätigt Integra-Chef Hartmann. «Wenn man ein Geschäft effizient betreibt, ist der Standort Schweiz mit jedem Standort auf der Welt absolut konkurrenzfähig.»
Allerdings führt die Rückbesinnung auf die Schweiz gerade wegen des immer höheren Automatisierungsgrads der Produktion nicht zwingend zu einem kräftigen Aufbau von neuen Arbeitsplätzen. Immerhin aber nimmt das Risiko ab, dass Stellen ins Ausland verlagert werden.