Wer YouTube nach Hits und Klassikern durchsucht, findet sie dort dutzend-, wenn nicht hundertfach: «Let It Be» der Beatles zum Beispiel in verschiedensten Versionen, hochgeladen von Nutzern mit Namen wie «BeatlesBootlegsBrazil».
Das Problem: Die Rechte an solchen Songs liegen nicht bei dutzenden oder hunderten von Leuten, sondern bei einigen wenigen Rechte-Inhabern – im Fall der Beatles etwa bei Sony Music und Paul McCartney.
Dass ein Video wie das von «BeatlesBootlegsBrazil» trotzdem bei YouTube zu sehen ist, hat einen Grund: die Content ID. Mit diesem vollautomatisierten System erkennt YouTube mögliche Verletzungen des Urheberrechts und reagiert darauf. Die Content ID wird seit 2007 ständig weiterentwickelt, bis heute soll sie YouTubes Mutterkonzern Google beziehungsweise Alphabet über 100 Millionen Dollar gekostet haben.
Herr über die Content ID ist der Schweizer Fabio Magagna. Und er weiss genau, vor welchen Herausforderungen das System steht: «Pro Minute werden 500 Stunden Video neu bei YouTube hochgeladen», sagt Magagna. «Die müssen mit dem Material verglichen werden, das uns Rechte-Inhaber zur Verfügung stellen – wir sprechen da von 600 Jahren Material.»
Pro Minute werden 500 Stunden Video neu bei YouTube hochgeladen.
Aber damit nicht genug: Jede Minute werden die 500 Stunden neuen Videos nicht einmal, sondern gleich dreimal mit den 600 Jahren Referenz-Material abgeglichen: einmal, um Übereinstimmungen beim Bildmaterial festzustellen. Einmal, um Übereinstimmungen beim Tonmaterial festzustellen. Und einmal, um festzustellen, ob es sich um eine Coverversion handelt.
Bei einem so komplexen System können auch Fehler passieren, weiss Fabio Magagna: «Kein technisches System ist 100-prozentig perfekt.» Und er weiss auch, dass grosse Unterhaltungsfirmen in der Vergangenheit sehr aggressiv gegen Copyright-Verletzungen vorgegangen sind – und dabei nicht immer im Recht waren.
Die Grossen tragen ein PR-Risiko.
Ein Problem: Die Content ID kann nicht erkennen, ob die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material vielleicht doch in Ordnung ist – etwa, wenn sie als Parodie oder als Zitat passiert. «Für eine Maschine lässt sich nicht klar definieren, wann so ein Fall zutrifft», sagt Fabio Magagna dazu.
Kommt es dann zu einem Gerichtsverfahren, stehen sich dabei oft zwei sehr ungleiche Parteien gegenüber: Auf der einen Seite die Rechteinhaber – grosse Unternehmen und ihre Juristinnen. Auf der anderen Seite kleine YouTuber und YouTuberinnen, die mit ihrem Kanal vielleicht ihren Lebensunterhalt verdienen.
Selbst wenn sie sich im Recht fühlen, wagen es viele von ihnen deshalb oft gar nicht erst, sich überhaupt auf einen Rechtsstreit einzulassen – aus Angst, dass sonst ihr Konto gesperrt wird. Unternehmen, die per Content ID falsche Urheberrechte geltend machen, riskieren dagegen nicht viel. Im Wiederholungsfall wird ihnen der Zugang zur Content ID entzogen.
Doch Fabio Magagna ist nicht einverstanden, wenn Kritiker dieses System als unfair bezeichnet: «Auch die Kleinen können viel bewirken, und die Grossen tragen ein PR-Risiko.» Und er ergänzt, dass zwei Drittel der Urheberrechts-Streite im Sinn der kleinen YouTuberinnen und YouTuber entschieden werde. Für sie habe YouTube in den letzten Jahren auch viel getan und Funktionen geschaffen, die verhindern sollen, dass sie überhaupt erst mit dem Urheberrecht in Konflikt geraten.
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