Seit Dienstag hat Venezuela zwei Währungen, den Bolivar und den Petro. Der Petro ist eine Kryptowährung. Damit will Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro die Inflation im Land bekämpfen, denn es droht der Staatsbankrott. Maduro hat verkündet, es seien bereits Millionen zusammengekommen.
SRF News: Venezuela habe zum Handelsstart Petros im Wert von 735 Millionen Dollar verkauft, sagt Staatschef Maduro. Ist das viel?
Philip Meyer: Für Venezuela wäre es zumindest ein bisschen etwas von dem Geld, das es dringend benötigt. Doch ist es bei Staatsausgaben von über 200 Milliarden nicht viel. Ohnehin ist nicht klar, ob wirklich so viel Geld einbezahlt wurde. Das ist eigentlich nur eine unbelegte Aussage des Präsidenten.
Weiss man etwas über die Investoren?
Der Clou an einer Kryptowährung ist, dass Transaktionen anonym laufen und kaum rückverfolgbar sind. Oft ist es so, dass man bei einer solchen neuen Kryptowährung in Bitcoin oder Eta einzahlen kann. Das macht es doppelt schwierig zu sagen, woher das Geld kommt.
Die USA haben verlauten lassen, eine Investition in den Petro sei eine Umgehung der Sanktionen.
Weltweit ist sehr viel schlecht verzinstes Geld im Umlauf. Deshalb gibt es sicher Anleger, die bereit sind, in extreme Risikoanlagen zu investieren. Das sind vor allem Investoren, die sich vor den USA nicht fürchten. Die USA haben nämlich verlauten lassen, eine Investition in den Petro sei eine Umgehung der Sanktionen.
Maduro erhofft sich durch den Petro den Befreiungsschlag aus der Wirtschaftskrise. Ist das mit den aktuellen Zahlen realistisch?
Das wäre nur dann der Fall, wenn alles Geld tatsächlich in den Aufbau der Wirtschaft investiert würde. Doch nicht einmal die Ölförderung, der Hauptwirtschaftszweig Venezuelas, funktioniert mehr richtig. Es ist selbst dann nicht sicher, dass die Investition etwas bringen wird, wenn alles Geld zusammenkommt.
Verknüpft ist die Währung mit dem Rohölpreis, gedeckt ist sie durch Rohölreserven, das heisst, sie hat einen Realwert. Kann man überhaupt von Kryptowährung sprechen?
Eigentlich nicht, denn es ist nicht wirklich eine Kryptowährung, selbst wenn die Technologie auf der so genannten Block-Chain-Technologie basiert. Und wir nehmen an, dass es so ist.
Der Petro ist nicht nur den Schwankungen des Ölpreises ausgesetzt, es besteht auch die Befürchtung, dass Venezuela das dahinterliegende Öl gar nicht liefern kann.
Die Unabhängigkeit fehlt, da die Kontrolle beim Regime liegt. Hier muss man eher von einem mit Rohstoffen unterlegten Kredit sprechen oder einer Art digitaler Staatsanleihen mit anonymen Komponenten. Der Petro ist nicht nur den Schwankungen des Ölpreises ausgesetzt, es besteht auch die Befürchtung, dass Venezuela das dahinterliegende Öl gar nicht liefern kann. Es ist insgesamt eine sehr unsichere Sache, nicht mal halb so sicher, wie eine Kryptowährung sein kann.
Der Petro ist weltweit die erste staatliche Kryptowährung. Erwarten Sie, dass das Modell angesichts des venezolanischen Starterfolgs Schule macht?
Ist es wirklich ein Erfolg? Man muss das genau anschauen. Zwar gibt es Theorien, die besagen, man könne eine staatliche Kryptowährung auf einem Korb von mehreren Rohstoffen anlegen, die sich gegenseitig ein Stück weit stabilisieren. Aber das bleiben weiterhin Theorien. Weiter gibt es verschiedene Länder zum Beispiel Estland, die untersuchen, ob man eine Art staatliche Kryptowährung einsetzen könnte. Die beobachten schon, ob hinter diesem Modell eine Realität liegt. Allerdings ist das alles noch sehr weit weg, und die Staaten sind noch sehr skeptisch, ob solche Kryptowährungen überhaupt als Währungen funktionieren.
Das Gespräch führte Claudia Weber.