Wenn es nach Randall Wray ginge, könnte alles einfach sein. Seit 25 Jahren forscht der US-amerikanische Ökonom an einer Formel, um Rezessionen und soziale Ungleichheiten zu bekämpfen. Moderne Monetary Theory (MMT) heisst sein Ansatz.
Die Idee: Wenn Geld für staatliche Investitionen fehlt, soll die landeseigene Notenbank nachhelfen. Es sei falsch, wie Notenbanker in den letzten 30 Jahren gedacht hätten. «Sie glauben, die amerikanische Regierung agiere wie ein normaler Haushalt. Aber das ist kompletter Unsinn», so Wray.
Glorreiche Nachkriegszeit?
Denn anders als Private können Staaten unbegrenzt Schulden machen. Wird das Budget knapp, könnte die Notenbank einfach Geld aus dem Nichts schaffen.
Die Schulden der USA nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Basis für ein wirtschaftliches Wunder, für das goldene Zeitalter des Kapitalismus.
Schon der Zweite Weltkrieg habe bewiesen, wie sinnvoll das sei. «Die US-Regierung hat ihre Schulden damals von fast null auf hundert Prozent des Bruttoinlandsprodukts angehoben», wie Wray ausführt.
Aber das habe niemanden gestört. «Es war sogar die Basis für ein wirtschaftliches Wunder, für das goldene Zeitalter des Kapitalismus.» Was wie ein Heilsversprechen klingt, ergibt auf den ersten Blick durchaus Sinn.
Keine Pleite möglich
Solange sich ein Staat in der eigenen Währung verschuldet, kann er gar nicht Pleite gehen. Genau das machen sich immer mehr Politiker zunutze. Sozialistische Linke in den USA wie Bernie Sanders oder Alexandria Octavio Cortes werben mit den Prinzipien der modernen Geldpolitik für ihre Sozialprogramme.
Job-Garantien, Krankenversicherungen für alle und der Green New Deal – die ökologische Industriewende – wollen irgendwie finanziert werden.
«Weniger ausgeben oder mehr einnehmen»
Bei Notenbankchef Jerôme Paul stossen sie damit allerdings auf Unverständnis. «Der Gedanke, dass Defizite für Staaten keine Rolle spielen, ist falsch.» Die Schulden der USA seien jetzt schon hoch. Zudem wüchsen sie schneller als das Bruttoinlandsprodukt der USA. «Wir müssen also entweder weniger Geld ausgeben oder mehr Geld einnehmen», sagt Paul.
Selbst viele linke Politiker, die für höhere Staatsschulden offen sind, hadern mit den Prinzipien der modernen Geldtheorie.
Larry Summers, ehemaliger US-Finanzminister unter Bill Clinton, nannte das Konzept einst Voodoo-Ökonomie. Der Harvard-Professor warnt vor den Gefahren einer Inflation. Das Prinzip, Geld zu drucken, um Schulden zu finanzieren, sei aus Lateinamerika bekannt. «Dort hat es zu Hyperinflation geführt.» Es gebe kein Land, das die Theorie erfolgreich in ihre Wirtschaft integriert habe, so Summers.
Japan als Beispiel
Dass Inflation droht, wenn die Geldmenge steigt, ist den Anhängern der modernen Geldtheorie bewusst. Werden Güter teurer, müsse der Staat einfach die Kaufkraft senken, so Professor Wray.
Das geschehe, indem er die Steuern erhöhe und den Konsum verteuere, natürlich nicht, ohne die Verbraucher zu entschädigen. «Wir würden sagen: Wir erhöhen eure Steuern, aber dafür bekommt ihr später mehr Rente und bessere Sozialhilfeleistungen. Ihr könnt zwar jetzt weniger konsumieren, aber im Rentenalter mehr, als wir derzeit versprechen.»
Trotz breiter Kritik glaubt Wray weiter daran, dass das Konzept funktionieren kann. Denn es gebe durchaus Beispiele für Staaten, die Wachstum und Vollbeschäftigung über die Notenpresse finanzierten. In Japan etwa experimentierten Staat und Zentralbank seit einigen Jahren mit Elementen der MMT. Und dort sei weit und breit keine Inflation zu sehen.