Yvonne Bettkober kennt den Wandel durch Digitalisierung. Seit 20 Jahren treibt sie diesen voran, früher als Managerin bei Microsoft Schweiz und Amazon Web Services, heute beim deutschen Volkswagen-Konzern. Sie sagt, was Künstliche Intelligenz Unternehmen bringt.
SRF News: Wo steht man bei VW mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz?
Yvonne Bettkober: Der Einsatz von KI steht noch ganz am Anfang. Wir hatten zuvor einige technologische Umbrüche wie Cloud Computing oder Big Data. Selbst da stehen wir noch am Anfang. Aus meiner Zeit bei Amazon Web Services weiss ich, dass weniger als 15 Prozent der Unternehmen Cloud Computing, also die Nutzung von IT-Dienstleistungen über ein Netz, grossflächig einsetzen – dabei diskutieren wir das Thema seit bald 20 Jahren.
Es geht bei KI nicht in erster Linie darum, weniger Menschen zu haben, sondern jene, die man hat, besser einzusetzen.
Bei Volkswagen nutzen wir schon Hunderte Anwendungen in der Datenanalyse und im KI-Bereich. Im vergangenen Jahr haben wir erste generative KI-Modelle freigegeben, damit alle mit ihnen arbeiten und experimentieren können. Doch im Verhältnis zu den Möglichkeiten und zu unserer Grösse – mit 684'000 Angestellten – stehen wir am Anfang.
Künstliche Intelligenz verspricht mehr Effizienz. Nutzt man sie bei VW auch, um Jobs abzubauen?
Nein, es geht um Transformation und weniger um Effizienz. Der Wettbewerb hat für alle Unternehmen in unserer Branche massiv zugenommen. Vieles ist viel weniger vorhersehbar, etwa die Lieferketten und die geopolitischen Krisen.
Es wird wahrscheinlich gewisse Tätigkeiten nicht mehr geben, dafür auf lange Sicht viele neue.
Eine der Prioritäten lautet: Wie kann man KI und ähnliche Werkzeuge einsetzen, damit das Unternehmen resilienter wird? Das ist gerade in Zeiten des Fachkräftemangels wichtig. Zudem verbringt heute ein Softwareentwickler nur einen Viertel seiner Zeit für wertschöpfende Tätigkeiten. Der Rest ist Administration, Überprüfung oder Fehlerkorrektur. Mit KI kann er vieles davon delegieren. Das macht seine Arbeit wertvoller und erhöht seine Arbeitszufriedenheit. Es geht bei KI nicht in erster Linie darum, weniger Menschen zu beschäftigen, sondern jene, die man hat, besser einzusetzen.
Aber gemäss Studien haben viele Menschen Angst, dass KI ihnen den Job wegnimmt. Eine berechtigte Angst?
Diese Sorgen muss man ernst nehmen und mit den Mitarbeitenden in einen Dialog gehen, um Ängste abzuholen. Man muss ihnen erklären, welche Werkzeuge wofür da sind und was sie bewirken. Arbeit verändert sich in Unternehmen. Es wird wahrscheinlich gewisse Tätigkeiten nicht mehr geben, dafür auf lange Sicht viele neue. 60 Prozent arbeiten heute in Berufen, die es im Jahr 1940 noch nicht gab. Es kann uns deshalb optimistisch stimmen, dass wir diesen Wandel schaffen können.
Aber es heisst auch, dass etwa zwei Drittel der Menschen neue Fertigkeiten erlernen müssen, um mit den neuen Werkzeugen umgehen zu können. Die Arbeit wird damit hoffentlich erleichtert, verbessert und erweitert. Aber dass Arbeitskräfte direkt ersetzt werden, das wird, wenn überhaupt, nur allmählich passieren. Es werden viele neuen Arbeitsformen und -tätigkeiten entstehen.
Das Gespräch führte Reto Lipp.