Die Firma Sensirion aus Stäfa produziert Sensoren, um die Luftqualität, die Temperatur oder den Feinstaub zu messen. 99 Prozent aller Produkte exportiert die Firma ins Ausland. Ein starker Franken macht ihre Waren grundsätzlich teurer.
Trotzdem sei der aktuelle Wechselkurs momentan kein Problem, sagt Geschäftsführer Marc von Waldkirch: «Ein starker Frankenkurs ist wie ein Fitnessprogramm. Er erhöht den Druck, innovativ zu sein. Wenn Sie ein innovatives Produkt haben, können Sie auch bei einem schwierigen Frankenkurs grundsätzlich ein gutes Geschäft machen.»
Ähnlich tönt es auch bei der SFS Group aus dem St. Gallischen Heerbrugg. Das Unternehmen beschäftigt weltweit 10'000 Angestellte und stellt Präzisionsteile für die Elektronik- und Autoindustrie her. Auch SFS exportiert den weitaus grössten Teil seiner Güter. Entsprechend gross ist die Bedeutung des Wechselkurses.
Geschäftsführer Jens Breu: «Mit dem Kurs von 1.08 leben wir gut. Wir haben uns an diese Situation angepasst.» Intern habe SFS selbst eine Euro-Franken-Parität simuliert mit dem Resultat, dass «wir damit nicht mehr im grünen aber noch im gelben Bereich wären», so der gelernte Maschineningenieur.
Die Pandemie überlagert den starken Franken
Der starke Frankenkurs ist auch deswegen etwas in den Hintergrund gerückt, weil Firmen jüngst mit anderen Problemen zu kämpfen hatten: Zuerst mit der Pandemie, aber ebenso mit fehlenden Fachkräften und mangelnden Rohstoffen.
Trotzdem gibt es Unternehmen, denen der Wechselkurs immer noch zu schaffen macht: etwa dem Zughersteller Stadler Rail. Verwaltungsratspräsident Peter Spuhler: «Heute haben wir zwar gelernt, mit dem starken Franken umzugehen, aber wir leiden nach wie vor. Der Franken ist noch immer 10 bis 15 Prozent überbewertet.»
Auch Martin Hirzel, Präsident des Verbandes der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem), betont, dass der starke Franken nach wie vor eine der grösseren Herausforderungen sei: «Aktuell ist der Kurs unter 1.10. Wir sind sonst schon ein teurer Standort und der jetzige Wechselkurs macht uns noch teurer.»
Wie stark ist der Schweizer Franken?
Innerhalb der Wirtschafts- und Unternehmenswelt ist allerdings umstritten, wie stark der Schweizer Franken ist. Für die Schweizerische Nationalbank (SNB) ist der Franken zwar nicht mehr «massiv» überbewertet, aber immer noch «hoch» bewertet, so die aktuelle Einschätzung.
Das ist der Grund, weshalb die SNB in den vergangenen Jahren den Franken gezielt geschwächt hat und darauf bedacht war, dass sich der Franken nicht innerhalb von kurzer Zeit zu stark aufwertet.
Die 1.08 von heute sind nicht die 1.08 von 2011. Wir können heute bei diesem Wechselkurs fast problemlos mit dem Ausland wettbewerben.
Dieses Ziel verfolgt die SNB, indem sie im grossen Stil punktuell Fremdwährungen – vor allem Dollar und Euro – aufkauft. Diese Fremdwährungen sind nun im Besitz der SNB und bilden den Devisenbestand. Seit dem ersten Aufwertungsschock 2011 ist der Bestand von 200 Milliarden auf annähernd 1000 Milliarden Franken angewachsen (Stand: Ende Juni 2021).
Anders beurteilt Klaus Wellershoff, Professor für Nationalökonomie an der Universität St. Gallen und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Wellershoff & Partners, die aktuelle Situation. Der Franken sei höchstens noch «marginal» überbewertet: Die Schweizer Unternehmen hätten sich nicht mit dem starken Franken abgefunden, sondern hätten stark an der eigenen Produktivität gearbeitet, so sein Urteil.
Gleichzeitig gibt er auch zu bedenken, dass der heutige Wechselkurs nicht mehr vergleichbar sei mit dem Wechselkurs von vor zehn Jahren: «Die 1.08 von heute sind nicht die 1.08 von 2011. Wir können heute bei diesem Wechselkurs fast problemlos mit dem Ausland wettbewerben.»
Das hat damit zu tun, dass die Produktionskosten im Ausland stärker gestiegen sind als im gleichen Zeitraum in der Schweiz. Diese Entwicklung mindert die negativen Auswirkungen des starken Frankens.
2011, 2015 und die Gegenwart
In der Tat ist die Situation heute eine andere als 2011 oder 2015: Vor zehn Jahren erfolgte die Frankenaufwertung innerhalb von wenigen Monaten und 2015 – bei der Aufhebung des Euro-Mindestkurses – sogar innerhalb von wenigen Minuten: Güter «Made in Switzerland» wurden schlagartig teurer. Diese Aufwertung habe sie damals «unvorbereitet» getroffen, resümiert Peter Spuhler von Stadler Rail.
Marc von Waldkirch von Sensirion ergänzt: «Wenn der Wechselkurs stark schwankt, dann ist es schwieriger überhaupt, Planungen zu machen.» Bei schnellen Wechselkursschwankungen fehlt den Unternehmen schlicht die Zeit, sich an die veränderte Wechselkurssituation anzupassen: Neue Produktionsprozesse oder gar effizientere Maschinen zu entwickeln und zu installieren, benötigt eine gewisse Zeit.
Jens Breu von SFS beispielsweise rechnet jeweils mit neun bis achtzehn Monaten, bis seine Firma die Herstellungsverfahren und Prozesse an die neue Wechselkurssituation angepasst habe.
In jüngster Vergangenheit hat sich der Schweizer Franken nicht schlagartig aufgewertet, sondern schrittweise, was den Unternehmen Zeit verschafft hat. Dies ist ein wesentlicher Grund, weshalb Schweizer Unternehmen heute gelassener mit dem starken Franken umgehen.