SRF News: Welche Leistung würden Sie «Public Eye» als Forum und Preisverleiher zuschreiben?
Ulrich Thielemann: «Public Eye» hat den Unternehmen auf die Finger geschaut und der Weltöffentlichkeit eine kritische Stimme verliehen. Die Wirkung, die es erzielt hat, ist vornehmlich strategischer Natur. Im Wissen um die Prüfung durch «Public Eye» gehen die Konzerne Reputationsrisiken ein. Diese Risiken können sie je grösser, desto weniger tragen.
Was hat «Public Eye» nicht zu erreichen vermocht?
Grundsätzlich würde ich unter die Veranstaltungen eine positive Bilanz ziehen. Leider ist das Echo, das der Event jeweils erfahren hat, in der Weltpresse eher spärlich ausgefallen.
«Public Eye» bricht in Davos nun die Zelte ab, um seine Anliegen fortan nach Bundesbern zu richten. Warum dieser Strategiewechsel?
Unsere Absichten können wir langfristig nur über eine Regulierung durchsetzen. Alles andere wäre Augenwischerei. «Public Eye» hat mit den Preisverleihungen in den letzten Jahren aber nicht von diesem Endziel abgelenkt – was prinzipiell geschehen kann, wenn NGOs bestimmte Interessen verfolgen. Die Veranstaltungen in Davos haben der Regulation erst den Weg bereitet. Meines Erachtens wäre es aber durchaus sinnvoll, wenn beide Standbeine, das Forum und die Regulierung, aufrecht erhalten blieben.
Kümmern sich die nominierten und prämierten Unternehmen überhaupt um die Auszeichnung?
Der Austausch in dieser Hinsicht ist beschränkt. Dass sich aber Coop 2007 für das Gegenstück, den «Public Eye Positive Award» bedankt hat, zeigt, dass wir als Organisation doch anerkannt werden.
Wie kann der Konsument die geschmähten Unternehmen umgehen? Geht das überhaupt, wenn er nicht auf sein Mobiltelefon und dergleichen verzichten will?
«Public Eye Lifetime Award»
Es ist nicht sinnvoll, die Konsumentenseite in dieser Hinsicht zu stark zu belasten. Es würde ihn überfordern. Ferner muss man aufpassen, dass die Individualethik nicht gegen die Ordnungsethik ausgespielt wird. Gewisse Spielräume haben wir aber durchaus. Wir haben ja nicht nur Teil am Konsum, sondern leben auch in einer Demokratie. Die Möglichkeiten, die sich hier eröffnen, können wir ergreifen.
Die «Hall of Shame» des Public Eye Awards
-
Bild 1 von 25. 2015 – Lifetime Award an Chevron:. Der Ölkonzern weigert sich, die Verantwortung für eine der schlimmsten Umweltkatastrophen zu übernehmen. In der Kritik steht Chevron wegen der Umweltzerstörung bei der Förderung von Erdöl im Regenwald im Norden von Ecuador. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 2 von 25. 2014 – People's Award an Gazprom:. Das weltweit grösste Erdgasförderunternehmen steht häufig in der Kritik. Greenpeace prangert die russische Firma seit langem wegen ihrer Erdölsuche in der Arktis an. Gazprom war auch in Konflikten mit der Ukraine, Weissrussland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken verwickelt. Bildquelle: Reuters/Archiv.
-
Bild 3 von 25. 2014 – Jury Award an GAP:. Der grösste US-Bekleidungs-Einzelhändler steht in der Kritik, Kinderarbeit in Indien zu fördern. Nach entsprechenden Negativberichten kündigte das Unternehmen an, zehntausende Kleidungsstücke aus dem Verkauf zurückzuziehen. «Public Eye» zeichnete GAP wegen seiner Kooperationsweigerung bei Reformen in der Textilbranche in Bangladesch aus. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 4 von 25. 2013 – People's Award an Shell:. Das weltweit grösste Mineralöl- und Erdgas-Unternehmen steht in zahlreichen Ländern in der Kritik. So wird der niederländischen Firma vorgeworfen, in Nigeria eine Ölpest verursacht und den Bürgerkrieg gefördert zu haben. Den «Public Eye Award» erhielt Shell wegen seiner Ankündigung, in der Arktis nach Öl zu bohren. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 5 von 25. 2013 – Jury Award an Goldman Sachs:. Dem Finanzdienstleister mit Sitz in New York wird die Einflussnahme auf die Politik vorgeworfen. Den Negativ-Award von «Public Eyes» erhielt Goldman Sachs 2013 für die angebliche Verschleierung der Staatsverschuldung Griechenlands mithilfe von «Buchungstricks». Bildquelle: Reuters.
-
Bild 6 von 25. 2012 – People's Award an Vale:. Das Bergbauunternehmen aus Rio de Janeiro soll die Menschenrechte verletzt haben. Zudem soll sich das brasilianische Unternehmen wenig um den Umweltschutz gekümmert haben. «Public Eye» kürte Vale 2012 für die Absicht, den Belo-Monte-Staudamm bauen zu wollen. Dazu müssten über 40'000 Menschen im Amazonas-Gebiet umgesiedelt werden. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 7 von 25. 2012 – Jury Award an Barclays:. Der britische Finanzdienstleister Barclays erhielt den Negativpreis, weil die Bank der am schnellsten wachsende Spekulant mit Lebensmitteln ist. Damit würden die Preise für Nahrungsmittel auf Kosten der Armen in die Höhe getrieben. 2014 kündigte Barclays an, 12'000 Stellen zu streichen und gleichzeitig 1,57 Milliarden Pfund als Boni auszuzahlen. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 8 von 25. 2011 – Global Award an AngloGold Ashanti:. Das südafrikanische Bergbauunternehmen fördert Gold in verschiedenen Staaten. Der Firma wird vorgeworfen, Menschenrechte verletzt, der Kinderarbeit Vorschub geleistet sowie den Umweltschutz auf Kosten der Bergarbeiter missachtet zu haben. «Kassensturz» berichtete auch über Quecksilbervergiftungen in Westafrika. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 9 von 25. 2011 – People's Award an Neste Oil:. Das finnische Mineralölunternehmen stellt unter anderem Öl aus Palmengewächsen her. Dies ist auch der Kritikpunkt verschiedener Umweltorganisationen. Der aus Palmöl hergestellte «Neste Green Diesel» sei irreführend. die CO2-Bilanz sei schlechter als die herkömmliche Herstellung von Diesel und sei nicht nachhaltig, lautet die Kritik. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 10 von 25. 2010 – Swiss Award und People's Award an Roche:. Dem Basler Pharmaunternehmen Roche werden verschiedene Vergehen wie Bestechung und Preisabsprachen vorgeworfen. Den «Public Eye Award» erhielt Roche dafür, weil das Unternehmen nichts über die Herkunft von transplantierten Organen aus China wusste. 90 Prozent der Organe stammen von Exekutierten, wie Peking offiziell bekannt gab. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 11 von 25. 2010 – Global Award an Royal Bank of Canada:. Die grösste Bank Kanadas wurde für ihr Engagement beim umweltschädlichen Auspressen von Erdöl aus Teersand kritisiert. Die Bank finanzierte dieses fragwürdige Verfahren. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 12 von 25. 2010 – Greenwash Award an CEO von Water Mandate:. Die Initiative «Water Mandate» der weltweit grössten Trinkwasser-Unternehmen war nicht bindend und freiwillig. Unter den Mitgliedern befanden sich unter anderem Nestlé, Coca-Cola und Pepsi. Der Verband präsentierte sich als Vorbild für ökologische Verantwortung. Am Schluss hielt sich aber kein Unternehmen an die eng definierten Prinzipien. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 13 von 25. 2009 – Swiss Award an BKW Energie AG. Das Energieunternehmen BKW Energie AG investierte rund 1,6 Milliarden Franken in ein deutsches Steinkohlekraftwerk. Trotz grosser Kritik auch vom Mehrheitsaktionär, dem Kanton Bern, wehrte sich der Klimasünder dagegen, die Beteiligung abzustossen. Bildquelle: Keystone.
-
Bild 14 von 25. 2009 – Global Award und People's Award an Newmont Mining:. Das US-Bergbauunternehmen aus Denver/Colorado schürft in verschiedenen Ländern nach Gold. Kritisiert wird Newmont Mining vor allem wegen Vergehen im Umweltschutzbereich. Den Negativpreis erhielt das Unternehmen von «Public Eye» für das Goldprojekt in Ostghana. Dort seien keinerlei Rücksicht auf ökologische und soziale Folgen genommen worden. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 15 von 25. 2008 – Swiss Award an Glencore:. Der weltweit grösste Rohstoffhändler mit Sitz in Baar (ZG) wird seit längerem mit zahlreichen Vergehen konfrontiert. Neben Umweltverschmutzung und Korruption wird Glencore auch Steuermanipulation und Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Den «Public Eye Award» erhält das Unternehmen wegen der Geschäftspraxis in kolumbianischen Kohlebergwerken. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 16 von 25. 2008 – Global Award und People's Award an Areva:. Der französische Industrie-Konzern ist vor allem in der Nukleartechnik tätig. Das Unternehmen betreibt in Niger zwei Uranminen. In den Areva-eigenen Krankenhäusern wurden erkrankte Angestellte als HIV-infiziert diagnostiziert. In Tat und Wahrheit erkrankten die Bergarbeiter berufsbedingt an Krebs. Areva wollte die Behandlungskosten nicht zahlen. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 17 von 25. 2007 – Global Award an Bridgestone Corporation:. Der weltweit grösste Reifenhersteller aus Japan wird vor allem wegen seinen Gummiplantagen im westafrikanischen Liberia kritisiert. Das Unternehmen soll dort Verhältnisse toleriert haben, die an Sklaverei grenzten. Dazu kam der Vorwurf von Kinderarbeit und Umweltverschmutzung. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 18 von 25. 2007 – Swiss Award an Novartis:. Das Basler Pharmaunternehmen wird kritisiert, weil es überlebenswichtige Krebsmedikamente patentieren lässt. Zudem habe sich Novartis in Indien ein Monopol auf ein Krebsmedikament aufgebaut. Die indische Generika-Industrie musste daraufhin ihre Produktion stoppen. Auch wegen Preisabsprachen und überhöhten Preisen wird Novartis kritisiert. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 19 von 25. 2006 – Kat. Menschen- und Arbeitsrechte an Walt Disney Company:. Der US-Medienkonzern stand in der Kritik, weil das Unternehmen sich weigerte, die chinesischen Hersteller zu benennen, welche für Disney Spielzeuge herstellen. Disney begründete dies damit, seine Zulieferer vor Kontrollen zu schützen. Kritisiert wurde der Konzern wegen den Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen in diesen Werkstätten. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 20 von 25. 2006 – Kategorie Umwelt an Chevron:. Der Energiekonzern mit Sitz in Brasilien und in den USA stand bereits 2006 in Zentrum der Kritik. Das Unternehmen kaufte 2001 die Erdölfirma Texaco auf. Dieses verschmutzte während dreissig Jahren mit veralteter Erdölförder-Technologie die Umwelt im Amazonas-Gebiet. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 21 von 25. 2006 – Kategorie Steuern an Citigroup Inc.:. Die angebliche skrupellose Unterstützung von Steuerhinterziehern wurde dem New Yorker Finanzdienstleister zum Verhängnis. Die Bank soll diskret die Vermögen von steuerflüchtigen Unternehmen, korrupten Machthabern und Kriminellen verwaltet haben. In vielen Fällen flossen die Gelder in Offshore-Unternehmen in Steueroasen. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 22 von 25. 2005 – Kategorie Arbeitsrecht an Walmart:. Der US-Detailhändler beherrscht einen grossen Teil des US-Einzelhandels. Der Konzern lehnt jedoch jegliche Verantwortung für die Arbeitsbedingungen bei seinen Zulieferern ab. Durch indirekten Druck auf Herausgeber von Zeitschriften stand das Unternehmen auch in der Kritik, die Pressefreiheit beeinflusst zu haben. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 23 von 25. 2005 – Kategorie Menschenrechte an Dow Chemical:. Das Chemieunternehmen aus den US-Bundesstaat Michigan erhielt den Negativpreis, weil sich der Konzern der Verantwortung für den weltweit schwersten Chemieunfall im indischen Bhopal entzieht. 1984 starben bei der Explosion einer Pestizid-Fabrik mehr als 8000 Menschen. Bis heute starben mehr als 20'000 Menschen an den Spätfolgen. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 24 von 25. 2005 – Kategorie Umwelt an Royal Dutch Shell plc:. Bereits 2005 wurde der Erdöl-Gigant Shell wegen seiner Aktivität in Nigeria kritisiert. Das konstante Verbrennen von Gas in diesem Land führt zu einer immens grossen Umweltverschmutzung. Viele Landstriche sind vergiftet. Bildquelle: Reuters.
-
Bild 25 von 25. 2005 – Kategorie Steuern an KPMG International:. Der Zuger Wirtschaftsprüfer ermunterte seine Kunden zu aggressiven Steuervermeidungspraktiken und entwickelte Steuersparmodelle. Für KPMG war dieses Geschäft sehr lukrativ. Bildquelle: Reuters.