Die Vernetzung, die das diesjährige WEF vorantreiben will, gehört für die das Forum betreuende Sanität zum Tagesgeschäft. Die medizinische Versorgung wird namentlich vom «Blue Center» organisiert, das während dieser Tage an einem geheimen Ort die Fäden zieht.
Konkret fungiert das «Blue Center» als Schaltzentrale zwischen dem Notruf im bündnerischen Ilanz, möglichen Einsatzorten in der Stadt Davos und zwei Sanitätshilfsstellen in der näheren Region. Diese Sanitätshilfsstellen sind eigens für das WEF eingerichtet worden – und zwar an Stellen, die wiederum geheim gehalten werden.
Fiele ein VIP die Treppe hinunter...
Fiele nun im Verlauf des Forums etwa die jordanische Königin die Treppe hinunter, so würde der Vorfall zunächst von der Polizei beobachtet. Ob diese sodann die Nummer 144 wählte oder direkt das «Blue Center» anriefe; der Einsatz würde so oder so über letzteres disponiert.
Jörg Helge Junge, ärztlicher Leiter der Rettung Chur, begründet die Funktionslogik der Sanität am Weltwirtschaftsforum wie folgt: «Wir vor Ort wissen besser, wo die Rettungsfahrzeuge stehen, und können diese dementsprechend schneller aufbieten.»
15 zusätzliche Notärzte im Einsatz
Angesichts des Aufgebots an Prominenz – und weil ein Terroranschlag mit letzter Gewissheit nicht ausgeschlossen werden kann – steht die Sanität in Davos auch mit deutlich mehr Manpower bereit. «Für das WEF sind zusätzlich 23 Rettungssanitäter und 15 Notärzte im Einsatz», so Junge. Vier davon seien leitende Notärzte und einer davon er selbst.
Die meisten Berührungen haben wir mit den Personen vom Sicherheitsdienst.
Dank der Erfahrung, die Junge ans Forum mitbringt – er ist bereits zum 13. Mal der leitende Arzt am WEF –, weiss er auch, wo am ehesten Not am Mann ist. Er betont, dass die medizinischen Sondereinheitskräfte nicht nur für die Bevölkerung und die Forums-Teilnehmer aufgeboten seien, sondern auch für die vielen Mitarbeiter vom Sicherheitsdienst.
«Die meisten Berührungen haben wir mit den Personen vom Sicherheitsdienst.» Weil sie lange Zeit vor den Zelten stehen müssten, kämen sie des öfteren mit Erkältungen zu ihnen. Auch rutsche gerne einmal einer auf dem Glatteis aus.
Insgesamt, so Junge zum «Mikrokosmos» WEF, «unterscheidet sich das Spektrum der Verletzungen und Erkrankungen aber nicht von den Gebrechen in einer mittelgrossen Stadt.»
Die wichtigsten Leute mit eigenen Ärzten
Steht nun aber der US-Aussenminister John Kerry tatsächlich bei Doktor Junge an, wenn er eine verstopfte Nase hat? Dazu der Chefarzt Anästhesie: «Einige von den Politikern oder Wirtschaftsführern haben eigene Ärzte dabei. Das hängt vom Status der Person und der Grösse der Delegation ab.» Im Regelfall würden dann aber medizinische Hilfeleistungen gemeinsam koordiniert.
Erste Berührungen haben diese Delegationen mit den Schweizer Sanitätern womöglich sowieso schon gehabt. Und wenn, dann diskret und unaufgeregt. Laut Junge kämen die Sicherheitsleute besonders prominenter Personen nämlich jeweils schon im Vorfeld in die Schweiz, um die Spitäler zu rekognoszieren.
«Die Amerikaner etwa schicken eine medizinische Vorsondierungsgruppe, die sich rund zwei Wochen vor dem WEF die Spitäler in Zürich, Chur und Bern anschaut.» Sie würden dort die Infrastrukturen der Krankenhäuser kontrollieren und deren medizinische Versorgungsmöglichkeiten und -leistungen prüfen.
Vor dem Arzt sind alle gleich
Was geschieht indes, wenn ein ‹gewöhnlicher› Davoser Bürger der Hilfe bedarf? Wird ihm dann dieselbe Betreuung zuteil? Laut Junge gilt jetzt und immer der Grundsatz: «VIPs werden nicht anders behandelt als Menschen aus dem Volk.»
Nach Anekdoten gefragt, die er während 13 Weltwirtschaftsforen erlebt habe, hält sich Junge bedeckt. «Selbstverständlich gäbe es Anekdoten. Nur darf ich die nicht erzählen.»