Sie sind die Flüssiggas-Tankstelle Europas und spielen die Vermittler-Rolle im Gazakrieg: Die Golfstaaten haben an Bedeutung gewonnen. Jetzt gehen die autoritären Staaten in Davos auf Werbetour. Der Golfstaaten-Experte Toby Matthiesen weiss mehr über ihre Motive.
SRF: Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) oder Saudi-Arabien präsentieren sich am WEF als modern, nachhaltig und innovativ. Was steckt hinter diesem Auftritt?
Toby Matthiesen: Die Golfstaaten sind in den letzten Jahren viel wichtiger geworden, finanziell, aber auch diplomatisch. Ihnen ist es immer sehr wichtig, öffentlich prunkvoll aufzutreten und mit hochrangigen Delegationen zu erscheinen. Daher ist das WEF ein Ort, an dem sie sich gerne sehen lassen.
Wieso diese Charmeoffensive?
Die Golfstaaten sind im Zentrum vieler globaler Auseinandersetzungen zwischen Ost und West. Sie stehen auch im Zentrum der Klimadebatte und sie sind natürlich riesige Energieproduzenten und -konsumenten. Sie wollen auch ihre Position in den Rohstoffmärkten festigen und sicherstellen, dass sie weiterhin Öl und Gas exportieren können.
Vor allem Katar ist seit dem Ukrainekrieg so etwas wie die «Flüssiggas-Tankstelle» für Europa.
Das Land hat sich so viel politischen Goodwill in Europa und in den USA erkauft. Diesen Goodwill hat Katar nötig, weil es exponiert ist – als Mediator im Gazakrieg, aber auch als Ort, an dem die Führung der Hamas wohnt und Büros unterhält.
Goodwill hat Katar nötig, weil es exponiert ist – als Mediator im Gazakrieg, aber auch als Ort, an dem die Führung der Hamas wohnt.
Die Golfstaaten stehen in Konkurrenz zueinander. Worauf ist das zurückzuführen?
Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Saudi-Arabien verkörpern unterschiedliche, nationale ideologische Strömungen. Saudi-Arabien hat versucht, sich als wichtigster Player am Golf und in der ganzen Region, zu positionieren. Dabei kommt es auch in Konflikt mit seinen kleineren Nachbarn, vor allem mit Katar und den Emiraten. Denn der Umbau der saudischen Wirtschaft machen vor allem der bisherigen regionalen Wirtschaftsmetropole Dubai Konkurrenz.
Die Golfstaaten sind inzwischen finanziell so wichtig, dass es im Westen wenige Leute gibt, die sich wagen, sie zu kritisieren.
Die Staaten geben sich modern und aufgeschlossen. Hinter der glänzenden Fassade sieht es anders aus, zum Beispiel in punkto Menschenrechtsverletzungen. Das scheint in Europa in den Hintergrund zu geraten. Täuscht dieser Eindruck?
Nein. Die Golfstaaten sind inzwischen finanziell so wichtig, dass im Westen nur wenige noch Kritik wagen. Die Golfstaaten sind autoritäre, absolute Monarchien. Daraus machen sie auch keinen Hehl. Politische Oppositionelle werden sehr hart angefasst. Es gibt zwar Liberalisierungen im sozialen Bereich – darauf konzentriert sich auch die internationale Berichterstattung. Aber diese gehen nicht einher mit mehr politischen Rechten oder mit Demokratisierung. Auch in der Wirtschaft spielt der Staat überall eine wichtige Rolle. Vor allem in Saudi-Arabien, wo der Staat die ganze Transformation finanziert.
Saudi-Arabien plant gigantische Logistik- und Tourismus-Infrastrukturprojekte und ist deshalb auch auf Werbetour im Westen. Geht diese Strategie denn tatsächlich auch auf?
Jetzt hat man gemerkt, dass es nur aufgeht, wenn das Image besser ist und nicht ständig über den Fall Khashoggi und solches berichtet wird. Letztlich will man vom Öl wegkommen und eine Wirtschaft aufbauen, die auch später nach dem Öl existiert. Aber davon sind wir noch sehr weit entfernt. Alle diese Projekte leben immer noch davon, dass sie von der Erdölwirtschaft quersubventioniert werden.
Das Gespräch führte Matthias Heim.