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Weg aus der Erdölabhängigkeit Kann ein futuristisches Projekt Saudi-Arabien aufrütteln?

500 Milliarden soll die saudische Retortenstadt «Neom» kosten und halb so gross sein wie die Schweiz. Beraterin und Energieexpertin Cornelia Meyer über Chancen und Risiken.

SRF News: Futuristisch solle die neue Stadt «Neom» werden, sagte der saudische Kronprinz bei der Präsentation des Projekts. Was bedeutet das?

Cornelia Meyer: Das Projekt ist futuristisch, und es ist vor allem gigantisch. Einer der wirtschaftlichen Sektoren, den man in dieser Stadt haben will, ist die Energie: «Neom» soll komplett von erneuerbarer Energie betrieben werden. Hinzu kommen Mobilität, Biotechnologie, Industrie – dort vor allem neuere Bereiche wie Robotik und 3D-Druck – sowie Medien und Technologie. Es soll eine Stadt werden, die vor allem auch Arbeitsstellen schaffen will für die vielen jungen Saudis. 70 Prozent der saudischen Bevölkerung sind unter 30 Jahre alt.

Das heisst, Saudi-Arabien wendet sich ab vom Erdöl, das das Land so reich gemacht hat, und setzt nun auf erneuerbare Energien?

Nein, das Land wendet sich nicht vom Öl ab. Aber es existiert bereits eine «Vision 2030», die die Zukunft Saudi-Arabiens darlegen soll. Und um diese zu realisieren, müssen Stellen geschaffen werden. Öl und Gas schaffen keine Arbeitsplätze. Sie zu fördern, ist kein arbeitsintensiver Prozess. Also setzt Saudi-Arabien zwar noch auf Öl, aber auch auf erneuerbare Energien. Es stellt sich insgesamt breiter auf.

Es soll eine Stadt werden, die vor allem Arbeitsstellen schaffen soll für die vielen jungen Saudis.

Ist dieses Projekt also die konkrete Umsetzung dieser «Vision 2030»?

Ja, diese Ideen sind bereits sehr konkret. Die «Vision 2030» hat Kronprinz Mohammed bin Salman kreiert. Sie ist äusserst ehrgeizig. Aber wenn man ein grosses und träges Land wie Saudi-Arabien nicht wirklich mit ehrgeizigen Visionen aufrüttelt, wird sich nie etwas bewegen. Es sind sicherlich «stretch goals» (überhöhte Zielvorgaben, Anm. d. Red.). Aber es braucht solch hochgesteckte «goals»: Wenn das Ziel zehn Meter ist, kommt man vielleicht fünf Meter weit. Ohne das Ziel von zehn Metern käme man null Meter weit.

Die Stadt soll unmittelbar an der Grenze zu Jordanien und Ägypten liegen. Was könnte das für den Wirtschaftsraum der ganzen Region bedeuten?

Wenn man das Projekt gut angeht, könnte es sehr viel bedeuten. Es könnte wirklich eine spezielle, kleine Wachstumszone werden. Zehn Prozent des Welthandels geht am Roten Meer vorbei, und von dort aus kann man innerhalb von acht Stunden 70 Prozent der Weltbevölkerung per Flugzeug erreichen.

Wenn man ein grosses und träges Land wie Saudi-Arabien nicht wirklich mit ehrgeizigen Visionen aufrüttelt, wird sich nie etwas bewegen.

Geschäftsführer des Projekts ist ein Deutscher, der ehemalige Siemens-Chef Klaus Kleinfeld. Er sagt, mit diesem Projekt werde sich sehr viel Geld verdienen lassen. Stimmt das?

Sicherlich wird sich viel Geld verdienen lassen. Aber wie bei allem gilt: Es ist ein grosser Plan, ein grosses Projekt. So was muss man gut implementieren. Die Implementierung wird dann zeigen, wie viel Geld sich wirklich verdienen lässt.

Aber ist dieses Projekt nicht ziemlich wahnwitzig? Eine Metropole, die am Reissbrett entsteht – das kann doch nur schiefgehen.

Ja, es kann schiefgehen. Und wir haben einige dieser neuen Städte, die nicht unbedingt gut gegangen sind in Saudi-Arabien. Eine ist gut gelungen, die «King Abdullah Economic City», aber der Rest nicht. Das liegt an der Ausführung. Die Regierung muss mitspielen, das Projekt muss gut geleitet werden, und für Klaus Kleinfeld ist das sicherlich eine herausfordernde Aufgabe. Denn in der Gegend kann man nicht führen, wie man Deutsche oder Amerikaner führt.

Das Gespräch führte Salvador Atasoy.

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