Jetzt lachen sie uns wieder von den Plakatwänden an: Gesichter mit einem roten Kreuz auf der Backe. Oder, weit weniger glücklich, Kinder mit grossen Augen, die um ihr Überleben fürchten. Die Briefkästen füllen sich mit der Aufforderung, anderen beizustehen.
Die Schweiz ist spendenfreudig. 1,85 Milliarden Franken waren es im letzten Jahr: ein Rekord. Doch wie nützlich sind Spenden?
Was im Inland gut kontrolliert und wenig umstritten ist, gerät in Form von Entwicklungshilfe zusehends in die Kritik. Ökonom und Nobelpreisträger Angus Deaton sagt, Entwicklungshilfe könne in manchen Fällen sogar schaden.
Regierungen stehlen sich aus der Verantwortung
Gerade wenn die Entwicklungshilfe grosse Teile des Budgets eines Staates ausmacht, kann sie entscheidend für Infrastrukturprojekte, den Bau von Schulen, Spitälern, Brunnen und Strassen, sein. Die Bevölkerung erwarte dann, so Deaton im Interview mit «ECO», nicht mehr von der Regierung, dass sie ihre Aufgaben erfüllt, sondern, dass die Fremden, die Entwicklungshelfer, das tun. Die Regierungen stehlen sich aus der Verantwortung, und die Bevölkerung fordere die Verantwortung von der Regierung gar nicht mehr ein. Damit werde der Gesellschaftsvertrag gestört.
Neue Ansätze
Die amerikanische Entwicklungshilfeorganisation «Givedirectly» glaubt, das Problem umgehen zu können. Anstatt in Projekte zu investieren, gibt sie Betroffenen direkt Geld, entweder in Form einer Grossspende oder als bedingungsloses Grundeinkommen. «Die Menschen wissen selbst am besten, was sie mit dem Geld anfangen können», meint Joe Huston, der Finanzchef von «Givedirectly». Er habe festgestellt, dass die Empfänger in der Lage sind, ihre Lebenssituation nachhaltig zu verbessern. Missbräuche gäbe es so gut wie nicht.
Mit diesem Ansatz entfernt sich Entwicklungshilfe von der klassisch paternalistischen Haltung, wo die Helfer glauben, alles besser zu wissen, und Bedürftigen vorschreiben, was gut für sie ist.
Handel statt Hilfe
Der Ökonom Angus Deaton denkt noch konsequenter. Er bevorzugt einen ökonomischen Ansatz. Handel statt Hilfe. Fairer Handel helfe weit mehr, Wohlstand zu schaffen. Wenn schon Entwicklungshilfe, dann müsse sie hier ansetzen und zwar in Form von Experten. Sie müssten beim Aushandeln von Verträgen zwischen Staaten helfen. Denn Heerscharen von Lobbyisten der Industriestaaten sitzen am Tisch. Da brauche es Experten, die helfen, die wirtschaftlichen Interessen der Entwicklungsländer zu wahren.
Spenden mit Verstand
Der gute Wille der Spender allein reicht nicht. «Wenn Entwicklungshilfe schadet und wir es tun, um uns gut zu fühlen», schliesst Angus Deaton, «dann ist es falsch, denn wir tun es für uns und nicht für die anderen.» Wer spendet, sollte es also mit Verstand tun.