Es waren markige Worte, welche der UNO-Generalsekretär António Guterres an seiner Rede am Weltwirtschaftsforum (WEF) gewählt hat. Kurz zusammengefasst: Die Welt befinde sich in einem «traurigen Zustand».
Damit meinte er nicht nur den Krieg in der Ukraine oder den Klimawandel. Sondern auch seine Erkenntnis, dass die Welt «die globalen Gesundheitslektionen der Pandemie nicht gelernt» habe.
Ein überholtes Wirtschaftssystem
Das Weltwirtschaftssystem und eine Pandemie hängen zusammen. Vor allem in eine Richtung wurde dieses Wechselspiel offenbar: Je stärker Corona wütete, desto grösser der wirtschaftliche Einbruch.
Doch es gibt auch eine Kehrseite. Denn die Art und Weise, wie wir unser Wirtschaftssystem gestalten, beeinflusst die Möglichkeit einer zukünftigen Pandemie massgeblich.
Guido Cozzi ist Professor für Makroökonomie an der Universität St. Gallen. Einer seiner Forschungsschwerpunkte ist der Bereich Wirtschaftswachstum. Er sagt: «Das aktuelle Wirtschaftssystem trägt dazu bei, dass die Wahrscheinlichkeit von Pandemien zunimmt.»
Das aktuelle Wirtschaftssystem trägt dazu bei, dass die Wahrscheinlichkeit von Pandemien zunimmt.
Das hänge vor allem mit der Globalisierung zusammen. Auch wenn es bereits in der Vergangenheit Pandemien gab – zu nennen gibt es beispielsweise die Spanische Grippe zwischen 1918 und 1920 oder den pestartigen «Schwarzen Tod» zwischen 1346 und 1353 – sei die Erde derzeit stärker bevölkert, was wiederum die Gefahr neuer Virusarten erhöhe.
Mathias Binswanger, Professor für Umweltökonomie an der Fachhochschule Nordwestschweiz, sieht es ähnlich: «Pandemien gehören zu den Risiken, die mit dem globalen Wachstum der Wirtschaft zunehmen.» Jedoch sei dies nur ein Problem unter mehreren. Binswanger nennt auch die Zunahme der Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen aufgrund des Klimawandels und plötzliche Ausfälle in der Nahrungsmittel- und Rohstoffversorgung.
Der Ruf nach mehr Nachhaltigkeit
Klimawandel, Pandemien, aber auch Artensterben: Das derzeitige Wirtschaftssystem trägt bei all diesen Krisen zu einer Verschlechterung bei. Dazu kommt, dass sich diese wiederum auf andere Bereiche auswirken – beispielsweise auf höhere Migrationsbewegungen oder die globale Ungleichheit. Cozzi betont: «Wir müssen definitiv nachhaltiger werden.» Und auch für Binswanger ist klar: «Wir können nicht mehr sagen: je mehr Wachstum und je mehr Globalisierung, desto besser.»
Wir können nicht mehr sagen: je mehr Wachstum und je mehr Globalisierung, desto besser.
Doch was sind die Verbesserungsvorschläge? Binswanger hat ein konkretes Beispiel: eine Regionalisierung der Nahrungsmittelproduktion und die Abkehr von Massentierhaltung. So könne insbesondere auch das Risiko für Pandemien verringert werden. Tatsächlich geht auch die Weltgesundheitsorganisation davon aus, dass die Verbreitung von Zoonosen – also Viren, welche vom Tier auf den Menschen überspringen – einerseits wegen der Massentierhaltung zunimmt, und andererseits ein grosser Risikofaktor für Pandemien ist.
Auch Guido Cozzi sieht dieses Problem. Er fordert deshalb, mehr Mittel in die Forschung von Zoonosen zu stecken. Cozzi sagt zudem: «Wir müssen mehr in die mRNA-Forschung investieren und uns für die nächste Pandemie vorbereiten.» Es gelte, die Produktion zu erhöhen und in Innovationen zu investieren.
Doch letztlich bleibt eine Pandemie ein Krisenereignis, auf das man nie vollständig vorbereitet sein wird. «Man kann sich nicht für alle möglichen Risiken wappnen», sagt Binswanger.