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Werbeapp «Beem» «Fraglich, ob beim Publikum der Wunsch vorhanden ist»

Unternehmen in der Schweiz testen immer wieder neue Werbeformen, der jüngste Versuch findet derzeit in Zürich statt. Am Hauptbahnhof hängen kleine schwarze Kästchen über grossen Werbeplakaten. Die Swisscom will damit interaktive Werbung auf dem Smartphone möglich machen, mit einer neuen Plattform namens Beem. Für Digitalexperte Jürg Tschirren ist es fraglich, ob die neue App bei den Konsumenten Anklang finden wird.

Jürg Tschirren

Digitalredaktor

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Jürg Tschirren hat Zeitgeschichte und Journalismus studiert. Er arbeitet seit 2007 für SRF und berichtet über IT, Kommunikation, Unterhaltungselektronik, digitale Distribution, soziale Netzwerke, Datenschutz, Computersicherheit und Games.

SRF News: Wie funktioniert Beem?

Jürg Tschirren: Die kleinen Kästchen senden einen Signalton aus. Wer auf seinem Smartphone die Beem-App oder eine beemfähige App offen hat, kann dieses Signal empfangen und hat die Möglichkeit, sich zusätzliche Informationen zu bestimmter Werbung anzeigen zu lassen; bei einem Gewinnspiel mitzumachen oder einen Gutschein zu bekommen. Das Ganze funktioniert nicht nur mit Werbeplakaten, sondern auch mit TV-Werbung oder Kinos.

Nahaufnahme von Smartphone.
Legende: Beemfähige Apps werden im Moment von 20 Minuten, Watson, Bluewin und Swisscom angeboten. Swisscom

Stichwort Datenschutz: Sammeln die kleinen schwarzen Kästchen die Daten der Leute?

Die Swisscom weist in ihrer Medienmitteilung darauf hin, dass sie die schweizerische Datenschutzverordnung jederzeit einhalte. Bewegungsprofile würden nicht erstellt und die Nutzer könnten selbst entscheiden, ob sie Daten an Dritte weitergeben. Um mit Beem interagieren zu können, muss der Benutzer die entsprechende App offen haben.

Die meisten von uns haben auf dem Smartphone Apps, die viel mehr Daten sammeln als Beem.

Beemfähige Apps werden im Moment von 20 Minuten, Watson, Bluewin und Swisscom angeboten. Um den Signalton zu empfangen, muss der Benutzer der App zudem Zugriff auf das Mikrofon erteilen. Erst dann erscheint ein spezieller Beem-Button, den der Benutzer drücken kann und erst dann wird die Interaktion registriert und anonymisiert gespeichert.

Sehen Sie bei einer solchen Anwendung keine Datenschutzprobleme?

Wenn es wirklich so passiert, wie von der Swisscom beschrieben, findet es innerhalb des Rahmens statt, den die schweizerische Datenschutzverordnung vorgibt. Zumal das ganze Angebot auf Wunsch auch anonym benutzt werden kann. Erst bei einem Angebotskauf oder einem Wettbewerb müssen die Kontaktdaten angegeben werden. Trotzdem kann es sein, dass ein Benutzer mehr von sich preisgibt, als er denkt.

Beim Publikum sind solche Angebote aber bis heute kaum auf Begeisterung gestossen.

Die Daten sollen zwar nur an Dritte weitergegeben werden, wenn der Datenschutzrichtlinie der Werbetreibenden zugestimmt wird. Aus der Praxis weiss man aber, dass fast niemand diese langen Datenschutzrichtlinien richtig liest. Die meisten von uns haben auf dem Smartphone Apps, die viel mehr Daten sammeln als Beem. Apps, deren Nutzungsbedingungen wir ebenfalls nicht richtig gelesen haben und die sich nicht immer an die Schweizer Richtlinien für den Datenschutz halten.

Smartphone und Text.
Legende: Für Jürg Tschirren ist es fraglich, ob sich die neue App durchsetzen wird. Beem

Ist Beem ein lukratives Geschäft?

Das Ganze ist sehr von der Seite der Werbetreibenden her gedacht, die von Produkten und Kampagnen überzeugt sind. Ich frage mich jedoch, ob beim Publikum der Wunsch vorhanden ist, mit diesen Kampagnen zu interagieren, und sich noch mehr Werbung anzeigen zu lassen.

Beem ist nicht der erste und einzige Versuch, den Werbetreibenden mit interaktiver Werbung eine neue und attraktive Alternative zu Online-Werbung wie zum Beispiel bei Google oder Facebook zu bieten. Das Vermarktungsunternehmen Admeira, zu dem auch die SRG gehört, hat im letzten Jahr interaktive Fernsehwerbung lanciert. Auch die Swisscom selbst hatte 2006 mit Betty TV ein interaktives Fernsehen gestartet. Beim Publikum sind solche Angebote aber bis heute kaum auf Begeisterung gestossen.

Das Gespräch führte Joel Hafner.

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