Es war eine beispiellose Aktion: Vor einem Monat beschlossen Dutzende grosse Unternehmen weltweit, vorläufig nicht mehr auf Plattformen von Facebook Werbung zu schalten, weil der Konzern ihrer Ansicht nach nicht genug gegen Hetze und Rassismus tut.
Der Boykott ist zumindest in der Schweiz schon fast wieder vorbei. Eine Umfrage bei den grössten Schweizer Firmen hat ergeben, dass nur die Zürich Versicherungen und auch Lonza ihre Werbemassnahmen auf Facebook und Instagram weiterhin unterbrechen. Novartis hingegen hat in geringem Umfang wieder damit angefangen.
Keine Kontrolle über Werbeumfeld
Alle grossen Schweizer Firmen, die auf die Umfrage antworteten, betonten aber, man achte sehr darauf, dass die eigene Werbung nicht neben Inhalten platziert werde, in denen Menschen diskriminiert würden. Die Pharmafirma Roche unterstreicht zudem: «Dazu gehören auch Drittanbieter, mit denen wir möglicherweise für die Platzierung von Werbung, zum Beispiel auf Websites, zusammenarbeiten.»
Diese Drittanbieter – Plattformen wie Youtube oder Facebook sowie Werbenetzwerke – platzieren die Werbeanzeigen automatisiert, also ohne Kontrolle, was daneben läuft oder abgebildet ist. Man begebe sich in Gefahr, dass die eigene Werbung neben Verschwörungsvideos platziert werde, erklärt Onlinewerbe-Fachmann Andreas Gysler. Damit gibt man als werbende Firma das Zepter zum Teil aus der Hand: «Ich muss dann darauf vertrauen, dass Youtube solche Videos zensiert.»
Kosten-Risiko-Abwägung
Das sei der Preis dafür, dass es vergleichsweise günstig geworden sei, Zielgruppen gleichzeitig auf mehreren Plattformen zu finden – auch für kleine und mittlere Unternehmen. Damit wächst die Chance, von Nutzerinnen und Nutzern wahrgenommen zu werden. Gleichzeitig steigt aber auch die Gefahr, dass die eigene Werbung plötzlich neben Hetzartikeln von Extremisten gezeigt wird.
Andreas Gysler hilft den Unternehmen mit seiner Firma Zulu5, die zur NZZ-Gruppe gehört, im Internet solch problematisch platzierte Werbung zu finden. Verhindern kann auch er diese Platzierungen nicht. Den betroffenen Firmen bleiben wenig Optionen. «Dann haben sie die Möglichkeit, die Partner oder die Plattform zu wechseln – oder einzuschränken, nur gewisse Kanäle zu buchen, die sie vorher überprüft haben.»
Viele Unternehmen hätten mittlerweile erkannt, dass sie sich mehr Gedanken über die automatische Platzierung ihrer Werbung machen müssen. «Die Firmen überlegen sich: Was ist mein Risikoprofil? Was entspricht meiner Marke, und was nicht?», sagt Gysler. «Man hat erkannt, dass es heutzutage unglaublich viele Möglichkeiten gibt, Werbung zu schalten.»
Wer maximale Reichweite und Klicks suche, der nehme vielleicht eher in Kauf, dass seine Anzeige auch einmal in zwielichtigem Umfeld auftauche. Bekannte Marken müssten hier jedoch vorsichtiger sein, weil sonst der Aufruhr in der Öffentlichkeit schnell laut werden könnte.