Die einst hochrentable Schweizer Wasserkraft ist heute ein Verlustgeschäft, in dem sich die Kosten nicht mehr decken liessen. So stellt es zumindest das Energieunternehmen Alpiq dar. Was Alpiq nicht hervorhebt: Unter den Wasserkraftwerken, wovon Alpiq 49 Prozent verkaufen will, gibt es profitable Werke.
Alpiq betont, wie hoch die Gestehungskosten der Wasserkraft seien: 6,5 Rappen durchschnittlich pro Kilowattstunde - deutlich über den Grosshandelspreisen von derzeit 2,8 Rappen. Doch die Kraftwerke Hinterrhein und Engiadina, an denen Alpiq beteiligt ist, produzieren zu nur 3,8 respektive 4,5 Rappen pro Kilowattstunde. Auch wenn dazu noch Kosten für Vertrieb und eine Eigenkapitalrendite kommen, zeigt sich: Wasserkraft ist eine vergleichsweise günstige Energiequelle.
Alpiq-CEO Jasmin Staiblin stellt das Energieunternehmen im «ECO»-Interview als Opfer des teilliberalisierten Strommarkts dar - es verfüge kaum über Endkunden, die Monopolpreise zahlen müssten: «Wir verkaufen zu den tiefen Grosshandelspreisen und machen Verlust.»
Langjährige lukrative Abnahmeverträge
Gemäss Recherchen von «ECO» verkauft Alpiq den Wasserstrom nicht ausschliesslich zu tiefen Marktpreisen. Das Unternehmen verfügt über etliche langfristige Lieferverträge zu deutlich höheren Preisen: Etwa mit Elektra Birseck Münchenstein, der grössten Minderheitsaktionärin, sowie Elektra Baselland. Mit beiden bestehen langjährige Abnahmeverträge – die Preise liegen 30 Prozent über dem aktuellen Marktpreis. Auch die grösste Aktionärin, Electricité de France, IBAarau und die Tessiner AIL sind über Langfristverträge an Alpiq gebunden.
Jasmin Staiblin sagt: «Ich habe überhaupt keinen Grund schwarz zu malen. Ich habe die Realität vor Augen, Tatsachen und Fakten auf dem Tisch.» Zu den Fakten zähle, dass die derzeit sehr tiefen Grosshandelspreise sich in zwei bis drei Jahren negativ auf das operative Ergebnis auswirkten.
Von der Notwendigkeit, die Wasserkraft zu retten, sprach die Alpiq-Chefin bereits vor einem Jahr, als sie einen Wasserrappen zur Unterstützung der Grosswasserkraft forderte. Ihr Vorschlag ist auf bestem Weg umgesetzt zu werden. Nach dem Nationalrat ist letzte Woche die Ständeratskommission eingeschwenkt auf die Subvention von 1 Rappen pro Kilowattstunde für Grosswasserkraftwerke, die unter den Gestehungskosten produzieren. Es geht um jährlich 120 Mio Fr. In der Sommersession stimmt der Ständerat nochmals ab.
Grosses Interesse am Kauf von Alpiqs Wasserkraft
Staiblin sagt im «ECO»-Interview: «Glauben Sie mir, es widerspricht mir völlig, dass wir überhaupt über Fördermittel sprechen müssen bei der Wasserkraft.» Es brauche eine Systemänderung. Wenn der Strommarkt komplett geöffnet werde, «dann verdient nahezu kein Wasserkraftwerk mehr Geld», sagt sie.
Wie gut Alpiqs Wasserkraft-Beteiligungen beurteilt werden, zeigt die grosse Anzahl der Unternehmen, die eine Investition in das Alpiq-Wasser-Portfolio prüfen: Darunter die Alpiq-Aktionäre Elektra Birseck Münchenstein, Elektra Baselland, Romande Energie, Wasserwerke Zug sowie die BKW.
Nicht nur bei der Wasserkraft malt Alpiq schwarz. Gemäss Alpiq-Mitteilung für das Kernkraftwerk Gösgen lagen die Kosten 2014 bei 3,4 Rappen pro Kilowattstunde. Im letzten Jahr waren es 5,1 Rappen. Was Alpiq nicht betont: Dieser Kostensprung ist ein einmaliger Effekt, eine Änderung in der Rechnungslegung. Die nächsten Jahre werden die Kosten von Gösgen voraussichtlich wieder tiefer sein. Im «ECO»-Gespräch sagt Staiblin dazu: «Bei den Atomkraftwerken haben wir die gleiche Situation wie bei der Wasserkraft. Die Grosshandelspreise decken die Entstehungskosten nicht.» Nun würden sämtliche Optionen geprüft.
Rosig ist die Lage bei Alpiq zwar nicht. Doch während das Unternehmen Verluste schreibt, legte der operative Cashflow letztes Jahr auf 461 Millionen Franken leicht zu. Deutlich verbessert hat sich die Situation bei den Schulden. Optimistisch urteilt der Kapitalmarkt: Die langjährige Obligation brach zwar Anfang März ein, als Alpiq den jüngsten Verlust und einen Teilverkauf der Wasserkraft bekannt gab. Doch der Kurs erholte sich schnell. Die Investoren sehen nicht schwarz, sie glauben an die Firma.