Für umgerechnet 1,26 Milliarden Franken hat die japanische Nikkei-Gruppe das legendäre lachsfarbene Qualitätsblatt erworben. Eine Einschätzung zur Zukunft der «Financial Times» von Grossbritannien-Korrespondent Martin Alioth.
SRF News: Die «FT» war über 100 Jahre in britischer Hand. Wird der Verkauf als Verlust empfunden?
Martin Alioth: Es gibt kritische Stimmen, die davon ausgehen, dass der britische Verlag Pearson in anderen Geschäftssparten Probleme hat und deshalb seine «goldene Gans» verkaufen muss. Allerdings sind das ökonomische Fragen.
Von einen nationalen Aufschrei kann aber nicht die Rede sein. Die Briten sind erstaunlich gelassen, wenn es um nationale Institutionen geht. Dies zeigen die Verkäufe der Schokoladefabrik Cadbury oder der Automarke Jaguar. Die Eigentumsverhältnisse sind hierzulande eigentlich kaum je ein heikles Thema.
Was zeichnet die «Financial Times» inhaltlich aus?
Es ist eine kühle Distanz. Britische Zeitungen können bisweilen sehr aufgeregt sein. Auch trägt die «FT» ideologisch keine Scheuklappen, obwohl sie eine Wirtschaftszeitung ist. Das Blatt hat eine gute Nase für eigene Geschichten, nicht zuletzt dank einem grossen Journalistenstab und einem erstklassigen Zugang zu den Chefetagen. Die Analysen haben meist einen eigenen Blickwinkel von guten Köpfen.
Die «FT» wird weltweit gelesen. Wie wichtig ist sie als Presseerzeugnis im eigenen Land?
Es ist ein diskreter Einfluss. Ich bin fast geneigt zu sagen, ihre Bedeutung und Einfluss sind unter der Oberfläche. Das Blatt betreibt keinen Kampagnen-Journalismus wie andere selbst seriöse Zeitungen das in Grossbritannien gelegentlich tun. Es ist eher eine konstante Qualität, die den Einfluss der «FT» ausmacht.
Wie schlägt sich die Zeitung im Bereich der digitalen Welt?
Vorbildlich. Zum Neid aller Rivalen. Inzwischen sind rund 70 Prozent der Abonnenten digital. Sie lesen die «Financial Times» also am Computer und bezahlen dafür. Das ist weltrekordverdächtig oder zumindest erstaunlich hoch.
Und dies bei einer Auflage von rund 740‘000 Exemplaren, wenn man es in der Printsprache ausdrücken will. Das ist so, weil ihre Leser diese Inhalte sonst nirgendwo sonst finden. Sie sind somit bereit, zu zahlen. Das können weltweit leider nicht sehr viele Zeitungen von sich behaupten.
Sind damit die Chancen intakt, dass es die «FT» auch noch in 100 Jahren gibt?
Das ist angesichts des Umbruchs in der Zeitungsbranche eine sehr kühne Annahme. Aber wenn irgendeine herkömmliche Zeitung Überlebenschancen hat, dann ist es das «Pink Paper», falls die japanischen Besitzer sie weiter machen lassen.
Das Gespräch führte Susanne Schmugge.