Ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz haben letztes Jahr rund 6,4 Milliarden Franken an ihre Verwandten in der Heimat geschickt. In welche Länder diese Gelder gehen, das wisse man nicht genau, sagt Peter Niggli von der entwicklungspolitischen Organisation Alliance Sud: «Nein, man weiss nichts. Wenn Sie Artikel zu diesem Thema in der Schweiz verfolgen, dann wird angenommen, dass ein grosser Teil der Gelder nach Ex-Jugoslawien gehen und in die Türkei.» Denn aus diesen Ländern stammten viele ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz.
Doch ob sie in Entwicklungsländer oder in ärmere europäische Länder fliessen – die Gelder kämen in erster Linie direkt den Familien in den Herkunftsländern zugute, so Niggli. «Das Geld geht in die Ausbildung der Kinder, dient dem persönlichen Konsum, dem Ausbau des Hauses und finanziert Anschaffungen für den Haushalt.» Die Gelder stärken die Kaufkraft der Bevölkerung und wirkten belebend für die lokale Wirtschaft.
Auch Pietro Mona von der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) betont, dass nicht nur die direkt unterstützten Familien von diesen Überweisungen profitieren: «Aus Pakistan haben wir Zahlen, die darauf hinweisen, dass die Geldüberweisungen dazu geführt haben, dass die Einschulungsquoten von Knaben und Mädchen gestiegen sind.» Auch für Lateinamerika gebe es Zahlen, die belegten, dass durch die Überweisung von Geldern von Familienmitgliedern aus dem Ausland die Kindersterblichkeit gesenkt werden konnte.
Zunahme von internationalen Überweisungen
Weltweit nehmen die Geldüberweisungen deutlich zu: Um vier bis fünf Prozent jährlich, schätzt die Weltbank, auf 550 Milliarden Dollar im letzten und 580 Milliarden im laufenden Jahr. Davon fliessen rund drei Viertel in Entwicklungsländer. Für einige dieser Länder haben die Geldtransfers ihrer Gastarbeiter eine grosse Bedeutung: Als Extrembeispiel nennt die Weltbank in ihrer neuen Statistik das zentralasiatische Tadschikistan, wo die Überweisungen mehr als 40 Prozent des Bruttoinlandprodukts ausmachen; oder Nepal und Kirgistan mit je rund 30 Prozent.
Allgemein gilt: Die privaten Geldüberweisungen sind höher als die ausländischen Direktinvestitionen, und sogar dreimal so hoch wie die gesamte öffentliche Entwicklungshilfe weltweit.
Es wäre aber fahrlässig, wenn man deshalb auf die Entwicklungshilfe verzichten würde, betont Pietro Mona von der Deza: «Es braucht verschiedene Finanzierungsquellen, um sicherzustellen, dass wir eine nachhaltige Entwicklung umsetzen können.» Peter Niggli ergänzt: «Es fliessen nicht nur Gelder von der Schweiz in diese Länder, sondern es fliessen auch Gelder von diesen Ländern in die Schweiz.»
Nur ein Bruchteil des Geldes, das in die Schweiz fliesst
Der Entwicklungs-Experte Niggli erklärt: «Wir haben zum Beispiel 20 Milliarden Franken Leistungsbilanzüberschuss mit Entwicklungsländern. Das ist Geld, das in die Schweiz fliesst.» Was die Schweiz an Entwicklungshilfe gebe oder was die Leute in ihre Heimat schickten, sei nur ein Bruchteil der Summe, die in die Schweiz fliesse.
Hinzu kommt, wie Mona und Niggli betonen, dass die Kosten für private Überweisungen immer noch zu hoch seien. Von 100 Franken, die überwiesen werden, fliessen im Schnitt acht Franken an die überweisenden Banken oder spezialisierte Transfer-Institute wie Western Union. Diese Kosten zu senken, könnte ein wichtiger Beitrag zur Entwicklung sein.