Financier Dieter Behring soll rund 2000 Anleger betrogen haben. Es geht um eine Summe von gegen einer Milliarde Franken. Ein Wirtschaftsdelikt. Ob Behring ein Krimineller ist, muss noch beurteilt werden.
Sollte Behring verurteilt werden, so würde er demTäterprofil eines typischen Wirtschaftsdelinquenten ziemlich nahe kommen: männlich, auf dem Höhepunkt der Karriere, Kadermitglied. Das zeigt eine Studie von KPMG. Das Wirtschaftsprüfungsunternehmen hat weltweit 750 Wirtschaftskriminelle analysiert, 20 davon aus der Schweiz.
Freundlich und angesehen
In der Schweiz liegt der Anteil an Kadermitarbeitern unter den Wirtschaftskriminellen bei 55 Prozent.
Es sei ein weltweites Phänomen, dass oft Kadermitglieder und nicht normale Angestellte Wirtschaftsdelikte begingen, sagt Philippe Fleury, Leiter Forensik bei KPMG Schweiz gegenüber SRF. «In der Schweiz ist dieser Trend besonders stark.»
Rund 80 Prozent der Wirtschaftskriminellen in der Schweiz sind Männer im Alter zwischen 46 und 55 Jahren. Sie werden von den Arbeitskollegen als freundlich wahrgenommen und arbeiten seit mindestens fünf Jahren im Betrieb.
Mit anderen Worten: Beim typischen Schweizer Delinquenten handelt es sich nicht etwa um ein dubiose Schattengestalt, sondern um eine Persönlichkeit, die einen guten Ruf geniesst.
Gelegenheit macht Diebe
Weniger überraschend ist das Hauptmotiv der Täter: «Die Täter handeln vor allem aus Habgier», so Fleury. «Es geht darum, sich Geld zu beschaffen.» Interessanter ist das zweithäufigste Motiv der Täter: Bei einem Viertel der Betrüger steht gemäss Studie schlicht die Möglichkeit zum Betrug im Vordergrund – also das Gefühl, dass sich die Tat leicht durchführen lässt.
Kaum kontrolliert
Philippe Fleury empfiehlt den Unternehmen, die Mitarbeiter besser zu kontrollieren, statt ihnen blind zu vertrauen. Gemäss der Studie werden viele Delinquenten, insbesondere Kadermitarbeiter, kaum überwacht.
Auch müssten die Firmen technologisch aufrüsten: «Die Täter setzen heute diverse IT-Systeme ein. Zur Identifikation der Täter müssen sich auch Firmen solche Systeme zu Nutze machen», so Fleury.
Höhere Sensibilität
Aufgrund der geringen Fallzahl – nur 20 der in 750 erfassten Delinquenten stammen aus der Schweiz – lassen sich aus der Studie keine eindeutigen Schlüsse zum Ausmass der Wirtschaftskriminalität in der Schweiz ziehen. Eine im Februar publizierte Untersuchung von KPMG hatte aber gezeigt, dass Schweizer Gerichte im vergangenen Jahr 91 Fälle von Wirtschaftskriminalität behandelt hatten – so viele wie noch nie.
Das habe insbesondere mit der höhren Sensibilität der Unternehmen gegenüber der Thematik zu tun, sagt Philippe Fleury: «In der derzeit schwierigen Wirtschaftslage wollen die Unternehmen nicht noch mehr Geld verlieren. Auch die Aktionäre erwarten, dass die Firmen bei Wirtschaftskriminalität handeln, statt solche Fälle einfach unter den Teppich zu kehren».