SRF: Herr Jaus, was zeigt uns der PMI – also der Einkaufsmanager-Index – genau?
Rolf Jaus: Der PMI ist ein vorausschauender Index über die konjunkturelle Lage des verarbeitenden Gewerbes in einem Land. Aber nicht nur: Als Frühindikator ist er für die gesamte Wirtschaft von hoher Bedeutung. Betrachtet man die Statistik, sieht man, dass der PMI der zukünftigen Entwicklung des Bruttoinland-Produkts (BIP) sehr ähnlich ist. Der PMI erhält also nicht nur von der Industrie, sondern auch von den Medien viel Beachtung.
Diesen Eindruck habe ich nicht. Mir scheint, der PMI wäre kaum einem Laien bekannt?
Das mag stimmen. In der Wirtschaftswelt hat der PMI allerdings viel Gewicht. Erfahrene Analytiker glauben etwa trotz drohendem Wirtschaftsabschwung in China, dass keine globale Rezession folgt – weil der PMI in zahlreichen Ländern im positiven Bereich liegt.
Worin unterscheidet sich der PMI gegenüber anderen Konjunkturbarometern, etwa jenem der Konjunktur-Forschungsstelle (KOF) der ETH Zürich?
Im Vergleich zum Konjunkturbarometer der KOF, der ein mathematisch komplexes Konstrukt ist und deshalb nicht so aktuell wie der Einkaufsmanager-Index erscheint, ist der PMI ein Voraus-Indikator. Er wird am ersten Arbeitstag vom Folgemonat publiziert. Der PMI wird überdies in vielen Ländern angewandt.
Was sagt denn der PMI zur jetzigen Situation der Schweizer Industrie?
Liegt der PMI über 50, befindet sich die Industrie im Wachstum. Seit Januar war der PMI Monat für Monat im Minus – während der Wert im ganzen 2014 immer über 50 lag.
In den letzten Wochen verging fast kein Tag ohne negative Botschaften über die Industrie. Basierend auf dem PMI bin ich nicht ganz so pessimistisch wie etwa die Swissmem (Verband der Schweizer Maschinen-, Elektronik und Metallindustrie). Insgesamt glaube ich, dass man bei einem stabilen Wechselkurs von 1.10 Franken pro Euro mit einem blauen Auge davonkäme.
Analysten nehmen den PMI oft zur Hand, um Prognosen über die Entwicklung der gesamten Wirtschaft zu machen. Ist denn die Industrie in der Schweiz so wichtig, dass sie ein Indikator für die gesamte Wirtschaft sein kann?
Die Industrie trägt sehr viel zur Schweizer Wirtschaftsleistung bei. Aber klar, der Industriesektor verliert gegenüber dem Dienstleistungssektor an Boden. Deshalb haben wir vor einem Jahr begonnen, auch einen Service-PMI zu erheben. Diesen haben wir noch nicht so publik gemacht; wir müssen noch mehr Erfahrungswerte sammeln und vor allem die Anzahl befragter Unternehmen erhöhen. Den Industrie-PMI publizieren wir seit 20 Jahren und knapp 250 Unternehmen werden befragt. Beim Dienstleistungs-PMI sind es erst 100 Unternehmen.