Es ist eine Schweizer Erfolgsgeschichte, die in der Schweiz kaum wahrgenommen wird. Der Neuenburger Christophe Maire gründete mehrere Start-up-Unternehmen in Berlin. Mit zweien, der Navigationssoftware Gate 5 und dem Freunde-Finder Plazes, weckte er bald das Interesse von Nokia. Der finnische Handy-Konzern, damals noch eigenständig und erfolgreich, kaufte dem Schweizer 2006 beziehungsweise 2008 die beiden Start-ups ab.
Wie viel Nokia bezahlte, ist nicht bekannt. In der Berliner Start-up-Szene kursieren Summen zwischen 160 und 190 Millionen Euro. Maire mag nicht über Zahlen reden. Als Unternehmer sei er nicht von Geld getrieben, sondern von der Möglichkeit, die Zukunft mitzugestalten. «Das Befriedigende am Verkauf ist die Bestätigung, dass geschätzt wird, woran man jahrelang gearbeitet hat», sagt er im Interview mit «ECO».
Mehr Kunst als Wissenschaft
Das Geld aus Finnland hat Maire nicht in Luxus investiert, er wohnt noch in derselben Wohnung wie vor den Verkäufen. Er steckt das Geld in neue Unternehmen, als Gründer einerseits, als «Business Angel» andererseits. Maire ist an rund 20 Start-ups beteiligt, denen er zugleich Know-how und Kontakte vermittelt. Wer ihn als Investor gewinnen will, muss Ausdauer beweisen: Gründer, die schnell wachsen wollen, nur um die Firma nach zwei Jahren wieder zu verkaufen, seien nicht auf seinem Radar, sagt er. Er suche langfristig orientierte Unternehmer. «Man entwickelt ein Gespür für Erfolgsfaktoren. Angel Investment ist weder planbar noch eine Wissenschaft – es hat viel mehr mit Kunst zu tun», so der Neuenburger.
Christophe Maire ist in Berlins Start-up-Szene ein gefragter Mann; als Geldgeber, als Referent an Start-up-Events und als Unternehmer: Er ist Geschäftsführer von «txtr», einer Firma, die er selbst gegründet hat, die E-Books vertreibt sowie Lese-Anwendungen für mobile Endgeräte anbietet.
Noch fliesst das Risikokapital zu spärlich
Berlin ist ein Mekka für Firmengründer: Alle 20 Stunden wird hier gemäss einer Studie der Investitionsbank Berlin ein internetbasiertes Start-up gegründet. Damit dies möglich ist, braucht es Risikokapital, ausserbörsliches Eigenkapital für junge Wachstumsfirmen. Vom gesamten Risikokapital, das Leute wie Christophe Maire in Deutschland investieren, fliesst mehr als die Hälfte nach Berlin. 133 Millionen Euro waren es gemäss dem Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungs-Gesellschaften im letzten Jahr.
Das klingt nach viel, ist aber im internationalen Vergleich bescheiden und nur ein Bruchteil dessen, was in den USA in die Start-up-Szene fliesst. Dort engagieren sich Pensionskassen viel stärker in diesem Bereich. Das führt gemäss Christophe Maire dazu, dass selbst Berliner Start-ups oft von Amerikanern finanziert werden statt von Deutschen – und das sei eine verpasste Chance für heimische Investoren.