Griechenland ist wieder in aller Munde. Jeden Moment wird ein Durch- oder Abbruch der Gespräche erwartet. Einigung, Vertagung oder Staatsbankrott? Diese Frage stellen sich dieser Tage Ökonomen aus aller Welt.
An einer Tagung des «UBS International Center of Economics in Society» an der Universität Zürich besprechen Wirtschaftsexperten die «Ökonomie von Schuldenkrisen». Mit dabei ist auch Harald Uhlig. Der Deutsche lehrt Wirtschaftswissenschaften an der University of Chicago und ist seit 2013 Berater der Europäischen Zentralbank. Wirtschaftsredaktor Tobias Bossard hat sich mit ihm unterhalten und gefragt, wie es im griechischen Schuldenstreit weitergehen soll:
Herr Uhlig, Wie beurteilen Sie die momentane Situation in Griechenland?
Harald Uhlig: Die Dinge stehen auf Messers Schneide. Es kann jetzt verschieden ausgehen. Griechenland ist gestern noch einmal mit neuen Reformvorschlägen gekommen, die jetzt neue Hoffnung aufkeimen lassen.
Wie würden Sie das Problem lösen?
Ich denke es gibt zwei Wege: Eine Möglichkeit wäre, dass sich Europa doch noch einmal breit schlagen lässt und Griechenland einen weiteren frischen Kredit gewährt. Dazu müsste Griechenland aber die vorgeschlagenen Lösungen umsetzen und das dürfte im griechischen Parlament für enormen Druck sorgen.
Die zweite Möglichkeit wäre der Staatsbankrott. Wenn kein frisches Geld ins Land fliesst und Griechenland den IWF-Kredit nicht zurückzahlen kann, kommen eine Reihe interessanter Probleme auf das Land zu.
Der Bankrott eines EU-Mitglieds wäre für die EZB eine Blamage
Was würden Sie denn den Schuldner-Ländern raten?
Sie müssen unbedingt darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden. Ich glaube die anderen Länder, die in der Vergangenheit europäische Hilfe in Anspruch genommen haben und im Gegenzug Reformen durchsetzen mussten, wären sauer, wenn Griechenland jetzt einfach einen guten Deal erhalten würde. Das wäre schlecht für die Zukunft der Eurozone. Es ist sicherlich nicht so, dass die Schuldensumme so gross ist, dass sich Europa das nicht leisten könnte. Aber für die Zukunft Europas ist wichtig, dass Griechenland zur Einhaltung gewisser Regeln gezwungen wird.
Eine andere Möglichkeit wäre ein Schuldenschnitt. Was halten sie davon?
Ein grosser Schuldenschnitt ist natürlich schön für Griechenland und es ist was Griechenland wirklich will. Ich glaube nicht, dass es ohne grosses Entgegenkommen seitens der Griechen dazu kommen wird.
Wäre aber nicht eine Beseitigung dieser Altlasten ein Schritt in die Zukunft für Griechenland?
Es stimmt, dass dies Griechenland wirtschaftlich auf den richtigen Weg helfen würde und es gibt viele Ökonomen, die diese Lösung favorisieren. Das Problem ist jedoch, dass in Zukunft ein Land in der Krise den gleichen Deal wie Griechenland verlangen könnte. Was macht man dann? Ich bin schon dafür, dass man Griechenland jetzt zuerst harte Reformbemühungen abverlangt, bevor man ihnen einen Schuldenschnitt gewährt.
Kenneth Rogoff, der auch an dieser Tagung referiert, fordert einen Schuldenschnitt. Was entgegnen sie ihm?
Es ist schön einen Schuldenschnitt zu fordern, wenn man nicht die Steuern zahlen muss, die den allfälligen Schuldenschnitt finanzieren (lacht). Solche Vorschläge kommen häufig von amerikanischen Ökonomen. Diese sind aber steuermässig nicht an der Sache beteiligt.
Deutschland würde bei einem Schuldenschnitt leiden. Sind die Deutschen der Sache ganz abgeneigt?
Deutschland hat auch ein gewisses Interesse an einem Schuldenschnitt, weil sie die Dinge im Lot halten müssen. Angela Merkel muss auch aufpassen, dass sie der Europäische Zentralbank nicht zu viel Schaden zufügt. Der Bankrott eines EU-Mitgliedstaates wäre für die EZB eine Blamage.
Die Leute stellen sich vor, dass man Griechenland einen Tritt in den Hintern gibt.
Käme es bei einem allfälligen Schuldenschnitt zum automatischen Grexit?
Ich denke Griechenland würde auch dann im Euro verbleiben. Wenn die Griechen den Euro aufgeben wollen, müssten sie aus der EU austreten. Daran können sie kein Interesse haben. Die Griechen bekommen jede Menge Hilfe aus anderen EU-Töpfen. Die griechische Regierung würde wahrscheinlich Schuldscheine ausstellen, um einen Teil ihrer Ausgaben zu tilgen, aber auch das muss unter Umständen nicht einmal nötig sein. Griechenland ist momentan fast daran einen ausgeglichenen Primärhaushalt zu haben. Sie könnten sich also weiterhin durchmogeln, ohne aus der Eurozone rauszugehen. Einen Grexit wie ihn die Leute verstehen, wird es höchstwahrscheinlich nicht geben.
Ist dann die Diskussion um den Grexit nur Panikmache?
Die Leute stellen sich vor, dass man Griechenland einen Tritt in den Hintern gibt, wenn das Land sich nicht benimmt. So ist das nicht. Griechenland müsste selber austreten und ich glaube nicht, dass sie daran Interesse haben.
Sie lehren an der University of Chicago. Wie wird in den USA nach Europa geschaut?
Es gibt verschiedene Strömungen. Es gibt eine Reihe von Ökonomen, die einen Staatsbankrott Griechenlands in Kauf nehmen würden. Andere sagen, die Reformvorschläge und Einschnitte schaden der griechischen Wirtschaft und Deutschland, und die restlichen Euro-Länder sollen gefälligst für Griechenland bezahlen. Das ist wie gesagt einfach, wenn man es nicht selbst bezahlen muss.
Sendebezug: Tagesschau vom 23.6.2015