Im Sommer 2014 schloss ein Lernender seine Ausbildung bei Glencore in Baar ab. Der Informatiker hatte das letzte Lehrjahr beim Rohstoff-Konzern absolviert – und die vorherigen bei anderen Firmen im Kanton Zug. Diese Rotation ermöglicht der lokale Lehrbetriebsverbund. Er will den Betreuungsaufwand für internationale Unternehmen reduzieren, um sie für die berufsbegleitende Ausbildung in der Schweiz zu gewinnen. Denn nicht überall sind die Voraussetzungen ideal.
Der Lehrling war der einzige bei Glencore – bei 800 Angestellten. Die Personalchefin, Gerda Schwindt, bezeichnet dies selbst als «relativ wenig», betont aber, der Konzern biete regelmässig Praktika für Berufsmittelschüler und Wirtschaftsmaturanden an.
Ziel: 20 Lehrstellen
«Eine hohe Hürde» sind laut Schwindt die vertieften Englisch-Kenntnisse, die Glencore verlange. Deshalb kommen Schweizer zu Lehrbeginn selten infrage. Der Kanton Zug hat darauf reagiert. Ab Sommer 2015 wird er eine KV- und Informatik-Lehre auf Englisch anbieten, allen voran für Kinder ausländischer Zuzüger.
Kopf dieses Pilotprojekts ist Bruno Geiger vom Zuger Amt für Bildung. Er führt Gespräche mit Glencore und weiteren Firmen mit dem Ziel, 20 Lehrstellen zu schaffen.
Nur: Nicht jeder Ansprechpartner kann den Wert einer Lehre richtig einschätzen. «Es ist anspruchsvoll, Lernende und Firmen zu gewinnen», bilanziert Bruno Geiger. «Bei den Kaufleuten ist es einfacher; bei den Informatikern haben wir mehr Mühe.» Einen Viertel der anvisierten Stellen hat er unterdessen besetzen können.
Ausländische Eltern mit «klarer Vorliebe fürs Gymnasium»
Seine Arbeit wird erschwert, weil auch viele Eltern, die aus dem Ausland zugezogen sind, die hiesige Berufslehre nicht kennen. Das ist nachvollziehbar, weil kaum ein Land Vergleichbares aufweist. Doch führt dies dazu, dass Kinder nicht immer den geeigneten Bildungsweg einschlagen.
Gemäss einer Untersuchung der Universität Bern haben ausländische Eltern hierzulande «eine klare Vorliebe fürs Gymnasium» – und dies «unabhängig von ihrem Bildungsstand». Schweizer Mütter und Väter dagegen, so Studienleiter Stefan Wolter, stünden der Berufslehre offener gegenüber, erst recht wenn sie selber eine absolviert hätten.
Die Schweizer Wirtschaft holt ihr Personal oft aus dem Ausland. Doch aus politischen Gründen könnte diese Möglichkeit in Zukunft eingeschränkt sein. Erika Lechleitner, Lehrlingsverantwortliche des Konsumgüter-Konzerns Johnson&Johnson, macht sich jedenfalls stark für die Berufsbildung. Sie ist überzeugt, dass bei Jugendlichen mit Praxiserfahrung noch «sehr viel Potenzial» liege, zumal auch Schweizer die Englisch-sprachige Lehre wählen können.
Und das Pharma-Unternehmen Roche hebt anlässlich einer «ECO»-Umfrage bei den 20 umsatzstärksten Firmen in der Schweiz hervor, es sei «in Bereichen, in denen ein Mangel an Fachkräften herrscht, von grossem Vorteil, Nachwuchskräfte selber auszubilden». Spezialisierte Mitarbeiter müssen also nicht immer Akademiker sein. Die Lehre rechnet sich für die Betriebe, hat Professor Stefan Wolter untersucht.
Angestellte und Lernende der 20 umsatzstärksten Unternehmen in der Schweiz
k.A.: keine Angaben
*: Verlegung des Hauptsitzes nach Irland.
Quellen: ECO und Firmenangaben, teils gerundet und teils Stand Ende 2013; Liste der 20 umsatzstärksten Unternehmen gemäss «Handelszeitung».