Welche Auswirkungen die neuen Therapien auf die Gesundheitskosten haben, das erklärt die Pharma-Analystin der Privatbank Rahn & Bodmer, Birgit Kulhoff, im Interview.
SRF: Bisher ist erst ein Medikament dieser Immuntherapie zugelassen, ein Mittel gegen bösartigen schwarzen Hautkrebs. Aber ist damit schon erwiesen, ob die Idee, das Immunsystem aufzurüsten, auch tatsächlich funktioniert in der Krebsbehandlung?
Birgit Kuhlhoff: Ja, auf jeden Fall, die Immun-Onkologie wird die Behandlung der Zukunft sein. Man kann auch schon sagen, dass in ungefähr 10 Jahren die Chemotherapie, die ja heute noch im Zentrum steht, abgelöst wird. Sie wird voraussichtlich nur noch dann eingesetzt, wenn zum Beispiel die Immuntherapie fehlschlägt, oder wenn es bei einer bestimmten Krebsart noch keine Immuntherapeutika gibt.
Dann sind die Schätzungen von Branchenbeobachtern, dass in etwa 10 Jahren rund 60 Prozent aller Krebsarten mit einer Immun-Therapie behandelt werden, Ihres Erachtens realistisch?
Das dürfte durchaus möglich sein. Nach diesen Schätzungen wäre in 10 Jahren dieser Markt etwa 30 Milliarden US-Dollar gross. Allerdings dürften sich diese 30 Milliarden dann wohl auf eine Vielzahl von Medikamenten verteilen. Denn die Immun-Therapie muss, um optimal zu wirken, mit anderen Medikamenten kombiniert werden, etwa mit einem Antikörper oder einem Hormonmedikament. Die Herausforderung der Forschung bei einer bestimmten Krebsart wird sein, dass man die richtige Kombination, Dosierung und Abfolge der Medikamente findet.
Das tönt aus Sicht des Gesundheitswesen sehr teuer!
Ja, ich denke tatsächlich , dass man pro Medikament 80‘000 bis 100‘000 US-Dollar rechnen muss. Das multipliziert sich dann mit zwei oder drei. Kommt hinzu, dass die Patienten mit dieser Therapie länger leben… das vervielfacht natürlich die Kosten der Krebsbehandlung. Mit diesem Problem müssen sich sicherlich die Pharmakonzerne und die Krankenkassen auseinandersetzen.
Weiss man denn bei Immuntherapien schon im Vorfeld, welche Patienten auf eine Behandlung ansprechen werden und welche nicht?
Nein, es gibt noch kaum entsprechende Diagnostik-Tests, die das schon vor einer Behandlung zeigen würden. Mit solchen Diagnostik-Tests könnte man natürlich in gewisser Weise die Kosten senken, weil wenigstens nur noch Patienten behandelt würden, bei denen die Therapie auch wirkt.
Trotz all dieser Hürden investieren die Pharmakonzerne derzeit zig Milliarden in die Forschung und Entwicklung neuer Medikamente. Die verlassen sich somit darauf, dass die Rechnung für sie am Schluss aufgeht?
Die Pharmakonzerne müssen fast in die Immuntherapie investieren, weil das die Zukunft sein wird in der Onkologie. Für wen die Rechnung am Schluss allerdings aufgehen wird, ist noch nicht klar.
Wer hat denn derzeit die Nase vorn?
Das sind vor allem drei Unternehmen: Bristol-Meyers Squibb, Roche und Merck. Der andere Basler Pharmakonzern, Novartis, hingegen hinkt etwas hinterher.
Das Gespräch führte Eveline Kobler.