SRF News: Sie waren schon immer der Meinung, die Anbindung des Frankens an den Euro sei falsch. Warum?
Oswald Grübel: Die Nationalbank müsste derart viel Geld drucken und dermassen viel Fremdwährung kaufen, dass es unverantwortlich wäre. Es gibt Leute die behaupten, die SNB könne unbegrenzt Schweizer Franken ausschütten und Euro kaufen. Das ist Blödsinn. Es funktioniert deshalb nicht, weil ab einem gewissen Punkt die Nationalbank – und damit auch der Schweizer Franken – jede Glaubwürdigkeit verlieren und das Land in eine Krise stürzen würden.
Warum genau würde die SNB an Glaubwürdigkeit verlieren?
Die SNB hat heute international schon den Ruf, eine populistische Geldpolitik zu führen und die anderen Zentralbanken in der Welt würden ihr nicht mehr vertrauen. Die Bilanzsumme der SNB ist nahe am Bruttosozialprodukt der Schweiz. Es gibt keine seriösen Länder mit einer so hohen Bilanzsumme, wie sie die SNB ausweist.
Sie sehen keine Alternative zum jetzigen Handeln der SNB?
Nein. Leider hat sie zu früh zu viele Euros gekauft, um den Franken abzuwerten. Jetzt hat sie diese Hypothek, auch noch in den kommenden Jahren. Die Bilanzsumme der SNB ist ein Risiko für das gesamte Land.
Jetzt hat aber die SNB mit der Loslösung des Frankens vom Euro die Firmen in Schwierigkeiten gebracht. Diese streichen nun reihenweise Stellen oder lagern Jobs aus.
Es ist nicht nur der Franken, obwohl viele das immer als Grund angeben. Die Exporte sind in den ersten 9 Monaten nur um 5,3 Milliarden Franken gefallen, zirka 4 Prozent, gegenüber einer Aufwertung von zirka 10 Prozent. Die Importe sind um 10,6 Milliarden Franken gefallen. Voraussichtlich wird die Schweiz dieses Jahr den grössten Handelsbilanzüberschuss aller Zeiten erwirtschaften, über 30 Milliarden Franken. Viel wichtiger als der starke Franken ist bei den möglichen Job-Verlusten der Fakt, dass das Wirtschaftswachstum in der Welt rückläufig ist und unsere Exporte nach China und Hongkong eingebrochen sind.
Dann könnten die Firmen ja sagen, Asien sei schuld.
Die Firmen schreiben die Schuld dem Franken zu, weil sie hoffen, so die Politiker unter Druck setzen zu können. Klar, mit einem fixen Wechselkurs hätten die Firmen ein Risiko weniger. Aber Planungssicherheit gibt es erst, wenn Sie im Himmel oder in der Hölle sind.
Trotzdem, die Industrie trifft es hart. Mehr als die Hälfte aller Exporte der Schweiz gehen in den Euroraum. Diese Firmen leiden.
Ja, aber wir leiden unter dem starken Franken – wenn Sie das Wort leiden verwenden wollen – seit über 40 Jahren. Der Franken hat sich stetig aufgewertet. Es ist nun mal so: So lange wir Handelsbilanzüberschüsse erwirtschaften, bleibt der Franken stark.
Was sind Ihre Erwartungen bezüglich der Entlassungen? Wird da noch eine Welle kommen?
Im Moment wächst die Weltwirtschaft wenig. Dies wird sich voraussichtlich auch nicht ändern. Die Wachstumszahlen von asiatischen Staaten wie China werden noch weiter zurückgehen. Die Aussichten für die Schweizer Firmen sind also nicht besser als in anderen Ländern. Firmen, die in diesem Umfeld marginal wettbewerbsfähig sind, werden verschwinden. Wir müssen vielleicht mit noch mehr Jobverlusten rechnen.
In welchem Umfang?
Das kann niemand sagen.
Es gibt die These, dass Firmen ihre Entlassungen bewusst erst nach den Wahlen angekündigt haben, um der SVP und der FDP nicht zu schaden. Was ist da Ihrer Meinung nach dran?
Das habe ich noch nicht gehört, ist aber eine schöne Geschichte um Wahlverluste zu erklären.
Von der Schweizer Politik zur globalen Wirtschaft: Das billige Geld der Zentralbanken befeuert die Aktienmärkte. Wann platzt diese Blase?
Die «Aktienblase» wird in dem Moment platzen, in dem die Zentralbanken die lockere Geldpolitik aufgeben. Aber solange wir die Nullzinspolitik haben, werden weiterhin viele in Aktien investieren. Denn wenn ich keine Zinsen auf meinem Konto erhalte, dann kaufe ich Sachanlagen wie Edelmetalle, Immobilien oder eben Aktien. Selbst wenn es der Wirtschaft in nächster Zeit nicht sonderlich gut gehen wird, wird deshalb weiter Geld in die Aktienmärkte fliessen.
Ihre Prognose: Wie lange wird die lockere Geldpolitik der FED und der EZB noch andauern?
Das weiss ich nicht. Sicher ist, die Nullzinspolitik der Zentralbanken ist Augenwischerei. Die Firmen werden deswegen nicht mehr investieren. Je länger die Nullzinspolitik anhält und Geld in die Aktienmärkte fliesst, umso mehr Glaubwürdigkeit verlieren die Zentralbanken. Wir wissen alle: Je mehr Geld gedruckt wird, desto weniger Wert hat es.
Bisher ist nichts passiert.
Man sollte das zwar nicht sagen, aber ich glaube, dass es dieses Mal anders herauskommt. Die Zentralbanken haben in einem solchen Ausmass Geld gedruckt wie nie zuvor. Sie behaupten, sie hätten alles im Griff. Das bezweifle ich. Es wird irgendwann zu einer enormen Geldentwertung kommen. Und zwar dann, wenn das Vertrauen in unser Geld verloren geht. Dann kommt zu neuen oder angepassten Währungen, bei denen man eine Null wegstreicht.
Das tönt etwas nach Apokalypse.
Es muss nicht soweit kommen. Für einen solchen Crash müssten wir noch 10 bis 15 Jahre so weitermachen. Ausschliessen kann man es aber nicht.
Der Bundesrat hat letzthin die Eigenkapitalvorschriften für Banken nochmals verschärft. Wenigstens da gibt es mehr Sicherheit.
Im Moment scheint man absolut sichere Banken haben zu wollen. Das kann man haben, es kostet aber viel. Denn um die Kapitalanforderungen zu erfüllen, müssen die Banken ihre Bilanzen weiter reduzieren. Also geben die Banken weniger Kredite. Und wenn Banken ihre Bilanz reduzieren, kann die Wirtschaft nicht wachsen. Punkt.
Die kleine Schweiz hat aber mit den grossen Banken ein Klumpenrisiko.
Es ist trügerisch zu glauben, mehr Kapital und mehr Transparenz seien das Allheilmittel für mehr Sicherheit. Was nützten diese Vorschriften, wenn sie ein schlechtes Management haben? Als ich im Bankgeschäft angefangen habe, in den 60er Jahren, da war dies ein Beamten-Job. Diejenigen machten Karriere, die die Regeln auswendig konnten, aber vom Geschäft nicht unbedingt viel wussten. Es scheint dahin gehen wir jetzt wieder.
Was ist so schlimm daran, wenn die Banker wieder zu Beamten werden?
Ich sag nicht, dass es schlimm ist. Aber es werden einfach Jahre mit sehr wenig Wirtschaftswachstum kommen.
Die Credit Suisse wird wieder eine Volksbank. Was sagen Sie zur neuen Strategie?
Dazu äussere ich mich nicht. Beobachten Sie den Aktienkurs.
Das Gespräch führte Christa Gall.