Als Ende April 2013 in Bangladesch ein Gebäude mit mehreren Textilfabriken einstürzte und über 1100 Arbeiterinnen und Arbeiter ums Leben kamen, war die Betroffenheit weltweit gross. Verschiedene Initiativen wurden gestartet, um die Sicherheitsvorschriften in den Fabriken zu verschärfen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern.
H&M verwies damals schon auf die eigene «Conscious Line», eine Kollektion bewusst produzierter Kleider. Der schwedische Konzern startete die sogenannte Roadmap zu existenzsichernden Löhnen, mit der die zweitgrösste Modemarke der Welt bis ins Jahr 2018 850'000 Textilarbeiterinnen faire, existenzsichernde Löhne versprach.
Eine Frage der Definition
Mit all dem erntete H&M Lob von der internationalen «Clean Clothes Campaign» (CCC). «H&M hat angekündigt, dass sie in ihren Fabriken existenzsichernde Löhne bezahlen wollen. Das ist primär mal gut», sagt Christa Luginbühl. Sie koordiniert das Netzwerk in der Schweiz. «Aber man muss natürlich definieren, was man darunter versteht. Bisher hat sich H&M nicht dazu geäussert.»
Auch im gestern erschienenen Nachhaltigkeitsbericht von H&M fehlen konkrete Zahlen. H&M verweist in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber SRF auf die grossen Fortschritte, die das Unternehmen bei den Kontrollen der Arbeitsbedingungen in den Zulieferbetrieben gemacht habe.
Was die Forderung von CCC nach konkreten Lohnzahlen betrifft, schreibt H&M: «Unsere Rolle als Marke und Käufer ist nicht die, die Löhne in Zulieferbetrieben festzusetzen. Wir gehen davon aus, dass Löhne zwischen den Sozialpartnern ausgehandelt werden müssen.» Dass Gewerkschaften, Behörden und Unternehmern in Verhandlungen Löhne festsetzen müssen, findet auch Luginbühl.
Luginbühl: «Es bleibt viel zu tun»
Die Situation in den Textilproduktionsländern – nicht nur in Asien, sondern auch in Ost- und Südeuropa – sei jedoch nicht mit derjenigen in Schweiz nicht vergleichbar: «Im Wettbewerbs- und Preisdruck, der heute herrscht, ist es schlicht so, dass die Gewerkschaften keinen politischen Spielraum haben, um die Löhne massgeblich nach oben zu korrigieren», sagt Luginbühl.
Es brauche die ausgesprochene Absichtserklärung der Firmen, die dort einkaufen, «dass sie auch bereit sind, die Lohnkosten mitzutragen und dann die Produktion nicht abzuziehen».
Nur zwei Prozent sind Lohnkosten
Man sei sich der eigenen Verantwortung bewusst, schreibt H&M, und verweist auf Kambodscha: «Dort sind in einem Pilotunternehmen vielversprechende Fortschritte erzielt worden. Die Überzeiten konnten um 40 Prozent reduziert und die Löhne um 10 Prozent erhöht werden. Dasselbe System werden wir im kommenden Jahr in 60 weiteren Fabriken umsetzen.»
Es bleibe viel zu tun, um die Arbeitsbedingungen, dort wo die T-Shirts und Jeans genäht und gefärbt werden, zu verbessern. Teurer würden die Kleidungsstücke übrigens auch nach massiven Lohnerhöhungen nicht zwingend – denn auch bei einem billigen T-Shirt macht der Lohn der Näherin nur rund zwei Prozent der Kosten aus.