Das hauchdünne Mehr am 9. Februar 2014 löste einen Schock aus. Gleichzeitig verlangten die Wirtschaftsverbände eine massvolle Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative, die ihre Interessen berücksichtige. Von einem Umdenken in den eigenen Reihen – bei Anstellungen inländische Fachkräfte zu bevorzugen, wie es die SVP fordert – war bisher wenig zu hören. Das Potenzial ist bekannt: Junge, Frauen und Ältere, sie alle können besser integriert werden, wenn es die Wirtschaft denn wollte und entsprechende Rahmenbedingungen schaffen würde.
Aber solange der Gesetzgeber noch keine konkreten Vorschläge macht, wie die Initiative umgesetzt werden soll, sehen die Unternehmen offenbar keinen Handlungsbedarf. Entwaffnend ehrlich ist etwa die Antwort von Holcim auf den «ECO»- Fragebogen (s. Bild).
Der Nahrungsmittel-Multi Nestlé schreibt: «Bei der Rekrutierung stehen für uns die professionellen und persönlichen Fähigkeiten sowie der Kandidat als Mensch stets im Vordergrund, unabhängig von Staatsangehörigkeit, Alter und Geschlecht.» Die Aussage hält allen Nicht-Diskriminierungs-Standards stand, verrät aber wenig darüber, ob Nestlé aus der Annahme der Masseneinwanderungs-Initiative Konsequenzen für die Rekrutierung von Arbeitskräften gezogen hat .
Der überwiegende Teil der Unternehmen erklärt, dass sie zwar keine neuen Massnahmen ergriffen hätten, dass sie aber unabhängig von der Abstimmung Programme betreiben würden, um alle drei Zielgruppen zu fördern.
Ältere Arbeitnehmer am meisten gefährdet
So schreibt etwa die UBS, sie habe vor drei Jahren ein Programm «lebenslanges Lernen» lanciert, um Mitarbeiter ab 45 bei ihrer Berufsplanung zu unterstützen. Migros bietet ihren älteren Arbeitnehmern eine Teilpensionierung an und auch die Möglichkeit, über das ordentliche Pensionsalter hinaus weiter zu arbeiten.
Swisscom setzt ältere Arbeitnehmer im Kundendienst ein, um die Bedürfnisse älterer Kunden «auf Augenhöhe» erfüllen zu können. Trotzdem: Ältere Arbeitnehmer bleiben die am meisten gefährdete Gruppe. Wenn sie ihren Job verlieren, haben sie grosse Mühe, eine neue Stelle zu finden.
Gegenüber Frauen ist die Sensibilisierung gestiegen. Mit der Initiative «Real Returns» will etwa Credit Suisse Frauen aus dem Senior Management den Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglichen. Allerdings kann die Grossbank den Erfolg des noch jungen Programms nicht quantifizieren. Flexible Arbeitszeiten, Jobsharing und Unterstützung bei der Kinderbetreuung sind bei den grossen Unternehmen eher die Regel als die Ausnahme.
Für die Jugend geschieht am meisten
Für die Gruppe der Jugendlichen tun die Unternehmen am meisten. Es besteht ein eigentlicher Wettbewerb um die besten Nachwuchskräfte. Ausbildung und interne Förderung werden laufend verbessert. Gerade die grossen Schweizer Unternehmen tun durchaus etwas, um das inländische Potenzial an Fachkräften zu nutzen, allerdings immer noch auf tiefem Niveau. Ein beschleunigter Ausbau der Programme hat in den letzten 12 Monaten nicht stattgefunden.
Ursula Renold von der Konjunktur-Forschungsstelle KOF erklärt die Tatenlosigkeit damit, dass sich die Folgen der Initiative erst in ein paar Jahren konkretisieren werden. Die Schweizer Unternehmen warten also ab, wie die Initiative umgesetzt wird.