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Einkaufszene in einem Supermarkt in der Früchteabteilung, mehrere Kunden sind zu sehen.
Legende: An den Früchten kann nicht riechen, wer am Computer einkauft. Keystone

Wirtschaft Kauft bald niemand mehr im Laden ein?

Coop und Migros erhalten Konkurrenz beim Internetshopping: Bald liefern auch «Juts» und «Hello Fresh» frische Lebensmittel nach Hause. Dahinter stecken aber keine klassischen Detailhändler, sondern aufstrebende IT-Firmen, die vollautomatische Liefersysteme benutzen.

Vor drei Jahren stellte der US-Investor David McClue fest: «Alle essen, alle sind online – also, worauf warten wir eigentlich noch?» Das dürfte sich auch Serge Aerne gedacht haben, Gründer des Ostschweizer Startup-Unternehmes «Juts». Bei seinem Unternehmen kann man ab dem 1. Mai per Internet Zutaten für ein Menü nach Hause bestellen.

Vollautomatischer Bestellprozess

Die Bestellung auf dem Smartphone oder dem Computer löst in der «Juts»-Verteilzentrale den Bestell- und Verpackungs-Prozess aus. So wisse man schon im Voraus, wie viele Menüs man am nächsten Tag auf die Reise schicken müsse, sagt Aerne. Entsprechend werde berechnet, welche Mengen an Zutaten man besorgen müsse. «Der ganze Prozess im Hintergrund ist mit unseren Systemen aufgegleist.» Geliefert werden die bestellten Lebensmittel in einer speziellen Kühlbox. Darin befinden sich Zutaten für drei Menüs, die je knapp 50 Franken kosten.

Mit einem ähnlichen Konzept ist seit dieser Woche auch «Hello Fresh» in der Schweiz präsent, ein Unternehmen des deutschen Zalando-Konzerns. «Juts» und «Hello Fresh» sind die Vorboten des künftigen Lebensmittel-Marktes in der Schweiz: Der Konsument kauft ein, wo und wann es ihm gerade passt – online per Internet. «Vielleicht gehen Sie am Samstag mit ihrer Partnerin einkaufen, doch unter der Woche, wenn Sie wenig Zeit haben, lassen Sie es sich nach Hause liefern», sagt Philippe Huwyler, Leiter des Online-Shops von Coop.

Neue Generation kauft online ein

Heute verkaufen Coop, Migros und die übrigen Händler erst zwei Prozent ihrer Lebensmittel online, wie das Marktforschungsunternehmen Nielsen berechnet hat. Experten schätzen, dass sich dieser Anteil in den nächsten vier Jahren verdoppelt: Zum einen wächst mit der neuen Generation eine Kundschaft heran, die sich tagtäglich im Internet aufhält und keine Berührungsängste mehr hat. Zum anderen gibt es immer mehr Leute, die ständig irgendwo unterwegs sind und ihre Kaufentscheidungen spontan treffen.

Die Trendforscherin Bettina Höchli vom Gottlieb Duttweiler Institut ist darum überzeugt, dass sich die traditionellen Lebensmittel-Geschäfte künftig neu positionieren müssen. Sie müssten das hervorheben, was das Online-Einkaufen nicht bieten kann: «Das Erleben, die Inspiration, die Möglichkeit Produkte anzufassen und daran zu riechen.» Hier gebe es sicher Möglichkeiten, sich hervorzutun.

Es braucht einen langen Atem

Was also hat Zukunft: Die Konsumenten im Laden beraten oder das Essen ohne persönlichen Kundenkontakt nach Hause schicken? Beide Konzepte sind vielversprechend und der Verteilkampf hat eben erst begonnen. Klar ist: Wer einen Teil des Kuches abbekommen will, braucht einen langen Atem.

Die Margen im Lebensmittel-Geschäft sind bekanntlich gering und auch die grossen Detailhändler haben jahrelang kein Geld mit E-Food verdient. Ähnliches droht den Branchen-Neulingen «Juts» und «Hello Fresh» mit ihren Nischenangeboten.

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