Ibrahmi Krivaqa spricht Klartext: «Die Regierung im Kosovo kümmert sich nicht um die Wirtschaft. Sie denkt nicht daran, das Land zu entwickeln. Deshalb sind die Menschen unzufrieden», sagt der kosovarische Unternehmer zu «ECO». Er führt in Gjilan, nördlich der Hauptstadt Pristina, mehrere Unternehmen. Krivaqa kennt die Hoffnungslosigkeit seiner Landsleute aus eigener Erfahrung: Im Februar flüchteten 24 seiner 110 Angestellten ins Ausland – nach Deutschland oder Österreich.
Korruptionsvorwürfe an die Regierung
Die Arbeitslosigkeit im Kosovo ist hoch. Viele Menschen schöpften neue Hoffnung durch Neuwahlen im letzten Jahr. Doch der bei vielen unbeliebte ehemalige Regierungschef Hashim Thaci etwa blieb als Aussenminister an der Macht. Staatspräsidentin Atifete Jahjaga versuchte in den vergangenen Monaten wiederholt, das aufgebrachte Volk zu besänftigen und stiess auf Widerstand.
«Wir müssen zusammenstehen und die Regierung stürzen – mit Gewalt», sagt eine Kosovarin bei einer Begegnung mit Jahjaga in Mitrovica. Wie viele Bürger fordert sie: «Die Regierung soll keine Staatsstellen mehr an Verwandte vergeben, sondern junge Menschen einstellen, die dringend Arbeit suchen.»
Glaube an bessere Zukunft verloren
Korruption ist im Kosovo weit verbreitet (s. Box). Auch der Unternehmer Ibrahmi Krivaqa habe sie gespürt, als er sein Unternehmen ausbauen wollte. «Wir benötigten viel Zeit, um eine Bewilligung zu erhalten. Hätte ich Beamte geschmiert, wäre wohl alles viel schneller gegangen».
Auch der Kosovo-Schweizer Rexhep Mustafa wurde mit Korruption konfrontiert. Er ist Inhaber eines Reisebüros in Pristina. Regierungsstellen buchen oft ihre Flüge bei ihm. Kürzlich habe jemand Geld von ihm verlangt dafür, dass er bei ihm Tickets bucht. «Ein paar Mal wurde es bei mir versucht – ohne Erfolg. Ich bin zwar von hier, aber ich mache da nicht mit!»
Mustafa hat den Glauben an eine bessere Zukunft im Kosovo verloren und will zurück in die Schweiz: Weil seine Kinder dort eine bessere Ausbildung erhielten, und weil er nicht glaube, dass es mit der kosovarischen Wirtschaft bald aufwärts gehe.
Fehlende Rechtssicherheit
Auch die Kosovo-Schweizerin Drenusha Shala kritisiert die fehlende Rechtssicherheit im Kosovo. Die 25-Jährige ist mit ihrem Unternehmen in Pristina erfolgreich, einem Call-Center für Marktforschung. «ECO» hatte bereits 2012 über das Unternehmen berichtet (s. Box). Shala profitiert von tiefen Lohnkosten und deutschsprachigen Angestellten. Sie hat ihr Unternehmen in den letzten zwei Jahren von 25 auf 150 Mitarbeiter erweitert. Die Einnahmen generiert sie von Kunden in Deutschland und der Schweiz.
Der Hauptsitz ihres Unternehmens ist jedoch in der Schweiz. «Es gibt keine Rechtssicherheit im Kosovo. Unsere Verträge laufen über die Schweiz, damit wir unseren Kunden eine gewisse Sicherheit bieten können».
Wenige Fortschritte im Kampf gegen die Korruption
Staatsoberhaupt Atifete Jahjaga nimmt die Bevölkerung selbst in die Pflicht. Sie ruft die Menschen im Kosovo auf, mit den Institutionen zusammenzuarbeiten, um das Land weiter aufzubauen, die Wirtschaft zu stärken und mehr Arbeitsplätze zu schaffen. «Wir hatten bis vor 16 Jahren Krieg. Der Staatsaufbau ist noch nicht abgeschlossen».
«Korruption ist nicht nur das Problem des Kosovo, sondern von allen umliegenden Ländern, die im Wandel sind», sagt die Staatspräsidentin im Interview mit «ECO». Der Staat habe «mutige Schritte» im Kampf gegen die Korruption unternommen, um den Rechtsstaat zu stärken. Was dies jedoch genau heisst, bleibt vage. Die Rede ist von Gesetzesreformen und besserer Koordination.
Laut einem Wirtschaftsreport der Schweizer Botschaft im Kosovo seien konkrete Fortschritte im Kampf gegen die Korruption schwierig zu erkennen. Die Verantwortlichkeiten im System seien unklar.