In der Altstadt von Havanna fühlt man sich dieser Tage wie in einer spanischen Grossstadt: Zahlreiche Touristen flanieren an Restaurants vorbei. Alle scheinen den morbiden Charme einer der letzten Stätten des real existerenden Sozialismus noch erleben zu wollen, bevor McDonald’s einzieht.
Unter ihnen Reto Rüfenacht: Seit 15 Jahren betreibt der Zürcher eines der grössten Reisebüros der Insel. Und ebenso lange wartet er darauf, dass das Wirtschaftsembargo der USA fällt. Wenn man ihm zuhört, verfliegt aber der Eindruck, dass schon bald US-Firmen auf der Insel einfallen.
Es reicht nicht, Hotelbunker zu bauen
Obwohl Rüfenachts 50 Angestellte in Havanna überrannt werden mit Anfragen nach Unterkünften, müssen sie viele Gäste abweisen.«Es gibt extreme Engpässe, weil der Staat zu wenig vorbereitet ist», sagt Rüfenacht im Interview mit «ECO». Dabei habe er Regierungsvertretern schon vor Jahren gesagt, es reiche nicht, Hotelbunker an Stränden wie in Varadero zu bauen. Aber ein Neubau könne sich auf Kuba leicht zehn Jahre hinziehen. «Hier dauert alles viel länger als in einem normalen Land», so Rüfenacht.
Als privater Geschäftsmann auf Kuba sind die wirtschaftlichen Regeln des sozialistischen Staates gewöhnungsbedürftig: Reto Rüfenacht darf sein Reisebüro nur über eine staatliche Reiseagentur betreiben. Die Agentur Cubanacan schreibt ihm vor, wie viele Kubaner er anzustellen hat. Und Cubanacan bestimmt sogar, welche kubanischen Arbeiter Rüfenacht beschäftigen muss.
Der Staat weise ihm nur touristisch ausgebildete Mitarbeiter zu, er brauche aber auch Buchhalter und Marketing-Leute. Das heisst: Der Schweizer muss seine kubanischen Angestellten auf eigene Kosten weiterbilden.
Der Staat dominiert private Firmen
Cubanacan entlöhnt Reto Rüfenachts staatliche Angestellte mit dem monatlichen Einheitssalär von rund 25 Franken pro Person. Der Schweizer muss nach eigenen Angaben ein Vielfaches der vom Staat bezahlten Lohnsumme an Cubanacan entrichten, um sein Reisebüro betreiben zu können. Zusätzlich stockt Rüfenacht die staatlichen Tieflöhne seiner Angestellten auf, um ihnen ein besseres Leben zu ermöglichen, und um sie zu motivieren.
Insgesamt koste ihn das Geschäft auf Kuba rund 15 Prozent mehr als in der Dominikanischen Republik, wo seine Firma auch Reisen anbietet. Warum tut ein Unternehmer sich das an? «Ich glaube an Kubas Zukunft», sagt Rüfenacht. Ausserdem habe das Reisebüro in Havanna trotz allem von Anfang an rentiert. Zahlen aber publiziert seine Firma Cuba Real Tours nicht.
Kuba braucht ausländisches Kapital
Bis anhin fordert die Regierung bei praktisch allen Grossprojekten eine Mehrheitsbeteiligung. Dabei weiss Machthaber Raul Castro, dass sein Land wirtschaftlich am Abgrund steht. Vor einem Jahr hat das Parlament ein Investitionsgesetz mit Steuererleichterungen verabschiedet: Die Regierung sagt, sie brauche mindestens zwei Milliarden ausländisches Kapital pro Jahr, um das nötige Wachstumsziel von 7 Prozent zu erreichen – letztes Jahr ist das BIP nur um etwas mehr als 1 Prozent gewachsen.
Reto Rüfenacht hofft, dass sich die Situation mit den anstehenden Reformen bessert. Er sagt: «Als Investor auf Kuba muss man ein bisschen verrückt sein oder so viel Geld haben, dass man es verschmerzen kann, eine oder zwei Millionen in den Sand zu setzen». Andere würden Roulette spielen, er investiere lieber in den Wiederaufbau der Insel.