Die Pensionskassen der Schweiz nehmen weniger ein, als sie den Versicherten schulden. 2015 haben sie im Durchschnitt eine Rendite von nur 0,8 Prozent erwirtschaftet. Das genügt nicht, um die Rentenansprüche zu decken. Die Aufsicht über die berufliche Vorsorge sieht das als Warnsignal für die kommenden Jahre.
Die heutigen Pensionierten erhalten tendenziell zu hohe Renten.
SRF News: Was macht der Aufsicht über die berufliche Vorsorge am meisten Sorgen?
Barbara Widmer: Sorge Nummer eins sind die rekordtiefen Zinsen, beziehungsweise die Negativzinsen von Obligationen – die wichtigste Anlagekategorie der Pensionskassen. Sie können zurzeit fast nichts mehr verdienen. Es sieht auch nicht so aus, als würde sich in nächster Zeit etwas daran ändern.
Sorge Nummer zwei ist das tiefe Ertragsniveau. Weil die Zinsen so tief sind, drückt es auch auf die Renditen am Aktienmarkt. Die Pensionskassen müssen sich wohl auf weitere magere Jahre einstellen, weil sich nicht mehr so viel verdienen lässt, wie das früher der Fall war.
Sorge Nummer drei ist unsere Langlebigkeit: Eigentlich ist das ja eine gute Nachricht, unerfreulich ist aber, dass diese Tatsache nicht in die Rentenberechnung eingeht. So erhalten diejenigen, die heute pensioniert werden, tendenziell zu hohe Renten.
Müssen die Pensionskassen, um doch noch an Geld zu kommen, höhere Risiken eingehen?
Ja. Sie können in Anlagebereiche ausweichen, wo sich noch etwas mehr verdienen lässt als mit den traditionellen Obligationen. Sie können zum Beispiel versuchen, ihren Aktienanteil auszuweiten – von vielleicht einem Viertel auf ein Drittel. Aber wo höhere Gewinne winken, drohen auch höhere Verluste. Und die muss man sich erst mal leisten können.
Eine andere Möglichkeit wäre, in den Immobilienmarkt zu investieren. Das versuchen viele Pensionskassen. Aber die Immobilienpreise sind bereits sehr hoch und das drückt auf die Renditen. Somit sind die Ausweichmöglichkeiten für die Pensionskassen beschränkt.
Viele Pensionskassen haben keinen ‹Speckgürtel› mehr. Könnten sie Rückschläge am Aktienmarkt verkraften?
Sie haben letztes Jahr einen Teil ihrer Reserven gebraucht, um den Versicherten den geschuldeten Mindestzins gutschreiben zu können. Die Situation ist nicht dramatisch, aber doch so, dass die Pensionskassen nicht über Risikopolster verfügen, um einen allfälligen Rückschlag am Aktienmarkt bequem aussitzen zu können.
Was bedeuten diese düsteren Aussichten für unsere Renten?
Wer bereits eine Rente bezieht, kann sich beruhigt zurücklehnen. Dieses Renten können nicht gekürzt werden. Für Personen, die noch aktiv im Erwerbsleben stehen, sieht es weniger erfreulich aus. Sie müssen sich darauf einstellen, dass sie mehr in ihre Pensionskasse einzahlen, länger arbeiten oder tiefere Renten erhalten. Wahrscheinlich wird es einen Mix von diesen drei Punkten geben.
Was macht die Politik bei dieser schwierigen Ausgangslage?
Sie hat erkannt, dass es bei der Altersvorsorge Reformbedarf gibt. Bei den eidgenössischen Räten ist zurzeit ein umfassendes Reformpaket unterwegs unter dem Stichwort «Altersvorsorge 2020». Wichtige Stellschrauben sollen angepasst werden – insbesondere soll der Umwandlungssatz sinken. Die Reform ist noch lange nicht im Trockenen. Aber die Richtung ist klar: Künftige Pensionierte müssen sich auf tiefere Pensionskassenrenten einstellen.