Einem Bundesrat geht es bei entscheidenden Prüfungen ähnlich wie einem Schüler. Kurz vor dem Verteilen der Noten ist man nervös – fällt die Note gut aus, folgt die grosse Erleichterung. So auch bei Finanzminister Ueli Maurer ob der Gesamtnote «weitgehend konform» der OECD.
«Ein Stossseufzer» war seine erste Reaktion. «Denn wir brauchen diese internationale Anerkennung für den Finanz- und Wirtschaftsplatz Schweiz. Wir betrachten es als Erfolg, dass wir das fertig gebracht haben.» Die gute Bewertung sei wichtig für die Schweiz, für die Reputation, die Stabilität auf dem Finanzmarkt, so der Finanzminister.
In den letzten Jahren wurde Knochenarbeit geleistet.
Für die OECD hat unter anderem das dichte neue Netz von Doppelbesteuerungsabkommen zur guten Benotung beigetragen. Und für Maurer ist es die Ernte von intensivster Arbeit in der Politik, der Diplomatie, auf Gesetzesebene: «In den letzten Jahren wurde Knochenarbeit geleistet. Sympathien haben meiner Meinung nach keine entscheidende Rolle gespielt. Aber gegenüber der Schweiz war die Skepsis vielleicht etwas grösser als gegenüber anderen Ländern.»
Dies etwa, weil das demokratische System der Schweiz nicht überall auf Verständnis stösst. Keine Bestnoten erhält die Schweiz bei der Steueramtshilfe. Hier will der Bundesrat weiter Optimierungen vornehmen. Er will, dass Amtshilfe auch bei gestohlenen Bankdaten geleistet wird.
Trotz Widerstands aus den Parteien rechts der Mitte. Die Schweiz müsse sich anpassen, sagt Maurer. Denn wenn die ganze Welt Offside pfeife, könne die Schweiz nicht auf eine Offside-Regel verzichten: «Wir haben keine Wahl, als aus der Not eine Tugend zu machen, wenn wir die Vorteile des Schweizer Finanzplatzes bewahren wollen.»
Der Schweizer Finanzplatz hat nach wie vor Vorteile
Die Schweiz müsse, so der SVP-Bundesrat, mindestens gleich gut sein wie die anderen – auch aus Eigeninteresse: «Wenn wir das nicht erfüllen, kann es für Firmen und Kunden gefährlich sein, Geschäfte mit dem Schweizer Finanzplatz abzuschliessen, weil er international die Anerkennung nicht hat.» Und schliesslich wolle man ja zu den Besten gehören, so Maurer.
Durch die verschiedenen Veränderungen habe die Schweiz heute zwar nicht mehr den Vorteil eines Bankgeheimnisses, aber sie habe dafür andere Trümpfe: politische und wirtschaftliche Stabilität, eine eigene Währung. Und einen der wichtigsten Finanzplätze der Welt, nun mit dem Gütesiegel: «weitgehend konform» mit internationalen Standards.
Diesen Schwung will der Finanzminister ausnutzen und die hiesige Finanzbranche weiter stärken. Und mit der neuen Glaubwürdigkeit mit mehr Nachdruck einfordern, dass nicht nur kleine Länder die OECD-Standards einhalten müssen, sondern auch die grossen mit ihren Finanzplätzen.