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Wirtschaft Libor-Skandal: EU büsst Banken mit Rekordsumme

Ihre Mitarbeiter haben Referenzzinssätze manipuliert. Nun verhängt die EU-Kommission eine Busse von insgesamt 1,7 Milliarden Euro gegen mehrere europäische und US-Banken. Die UBS kommt ungeschoren davon.

Die Manipulation von Referenzzinssätzen wie dem Libor zählt zu den grössten Verfehlungen der Banken während der Finanzkrise. Nun hat die EU-Kommission happige Bussen verteilt – die Summe beläuft sich auf 1,7 Milliarden Euro.

Den höchsten Betrag muss die Deutsche Bank berappen: 725 Millionen Euro. Nach Angaben der Bank ist der Betrag bereits weitestgehend in der Vorsorge für Rechtsrisiken berücksichtigt.

Die französische Société Générale bezahlt 446 Millionen, gefolgt von der Royal Bank of Scottland mit 391 Millionen Euro. Auf die US-Banken JP Morgen und Citigroup entfallen 80 Millionen und 70 Millionen Euro. Der britische Broker RP Martin muss 247'000 Euro zahlen.

Keine Bussen für UBS und Barclays

Die britische Barclays und die UBS kommen um Strafen herum, weil sie die Kartellwächter über die Manipulation informiert hatten. «Andernfalls wäre die UBS für ihre Beteiligung an fünf der sieben Zuwiderhandlungen mit einer Geldbusse von 2,5 Milliarden Euro belegt worden», teilte die EU-Kommission mit.

Es geht um Bestrafung und Abschreckung.
Autor: Joaquín Almunia EU-Wettbewerbskommissar

Die fehlbaren Banken hätten sich bei der Festlegung von Referenzzinssätzen für den globalen Finanzmarkt abgesprochen und diese dadurch manipuliert – etwa um Handelsgewinne einzustreichen. Diese Praktiken betrafen den in London festgelegten Libor, sein Euro-Pendant Euribor und den japanischen Tibor.

Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia zeigte sich empört über das Ausmass: «Die Manipulation der Zinssätze betrifft Millionen von Verbrauchern, etwa weil Hypotheken-Zinsen daran gekoppelt sind.» Über die Bussenhöhe sagt Almunia: «Es geht um Bestrafung und Abschreckung.» Die EU-Kommission sei fest entschlossen, Kartelle im Finanzsektor zu bekämpfen und zu sanktionieren.

«Das kennt man aus Mafia-Filmen»

«Als Normalbürger kennt man das nur aus Mafia-Filmen», sagt SRF-Korrespondent Jonas Projer. Da gehe einer der Mafiosi zur Polizei, werde Zeuge gegen seine früheren Kollegen und gegen seine früheren Chefs, «und dafür muss er nicht ins Gefängnis», so Projer.

Ähnlich ist es auch in der EU: Geheime Absprachen und Kartelle sind für die Behörden schwierig zu durchschauen. Die Behörden decken die Machenschaften auf, indem sie sagen, die erste Firma, die mit den Behörden kooperiert, erhält Straffreiheit. «Jetzt kann man das ungerecht finden, weil da Firmen, die kriminell waren, straffrei davonkommen. Oder man kann sagen: Immerhin, so werden diese Kartelle wenigstens aufgedeckt», sagt der SRF-Korrespondent.

Was ist der Libor?

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Der Libor (London Interbank Offered Rate) wird seit den 1980er-Jahren jeden Vormittag von der British Bankers' Association (BBA) festgelegt. An ihm orientieren sich die kurzfristigen Zinsen für viele Finanzmarktgeschäfte. Er wird aus den Zinsen berechnet, den die wichtigsten Banken weltweit aktuell für Kredite ihrer Konkurrenten zahlen müssten.

UBS hat bereits 1,4 Milliarden bezahlt

Der Skandal um manipulierte Zinssätze hat sich zu einem weltweiten Fall entwickelt. Die EU-Behörde ermittelt seit zwei Jahren.

Weltweit haben die Behörden wegen der Libor-Manipulation bereits Bussen in der Höhe von 3,3 Milliarden Franken verhängt. Davon betroffen sind UBS, Royal Bank of Scottland, Barclays, Rabobank und das Finanzunternehmen ICAP.

Die UBS will den neusten Entscheid der EU-Kommission zum Libor-Skandal nicht kommentieren. Vor einem Jahr war die Schweizer Grossbank von den Aufsichtsbehörden in Grossbritannien, der USA und der Schweiz für mitverantwortlich an dem Skandal erklärt worden. Die UBS musste die Summe von rund 1,4 Milliarden Franken an die Behörden in den drei Ländern bezahlen.

«Der Liborskandal ist für die UBS nicht definitiv vom Tisch», sagt Projer. Denn alle diese Banken, die jetzt ein Schuldeingeständnis gemacht haben, müssten nun mit Privatklagen rechnen. «Grossinvestoren könnten klagen, wenn sei finden, sie seien durch das kriminelle Verhalten geschädigt worden.»

Untersuchungen in weiteren Manipulationsfällen

Mit dem Entscheid der EU-Kommission sei die Geschichte aber noch nicht beendet, sagte der EU-Wettbewerbskommissar. Die EU-Kommission ermittelt weiter gegen Banken, die bislang nicht zur Mitarbeit bereit waren. Sie betreffen Absprachen über zwei Referenzzinsätze; einer davon ist jener für Geschäfte in Schweizer Franken.

Auch bei nationalen Wettbewerbsbehörden, etwa der Schweizer Weko, laufen noch solche Verfahren. Zudem müssen die Banken auch noch mit den Klagen von Privaten rechnen, die wegen der Zinsmanipulationen zu Schaden gekommen sein könnten.

Nach dem Willen der Aufseher soll das System wegen der Manipulationen nun geändert werden. Um künftig solche Manipulationen zu verhindern, hat die EU-Kommission im September einen Gesetzentwurf vorgestellt. Libor und Euribor sollen demnach künftig nur noch unter behördlicher Aufsicht bestimmt werden. Zinsfälschern drohen hohe Geldbussen und sogar Haftstrafen. Diese neuen Regeln könnten frühestens ab 2015 gelten.

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