Die Lufthansa streikt – zum neunten Mal in diesem Jahr. Wie gross ist der Imageschaden, den die Fluggesellschaft davon trägt?
Andreas Wittmer: Der ist erheblich. Denn die Passagiere stören sich nicht nur daran, dass sie nicht fliegen können oder umgebucht werden. Sie können auch nicht verstehen, warum die Piloten streiken. Im Vergleich zur normalen Bevölkerung haben sie keine schlechten Arbeitsbedingungen – sie verdienen viel Geld und können heute mit 55 in die Rente.
Wie wird sich der Streik langfristig auf die Einnahmen auswirken? Werden die Leute davon absehen, mit der Lufthansa zu buchen?
In grossen Städten, wo die Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Fluggesellschaften haben, wird dieser Effekt wohl spürbar sein. Doch an anderen Orten ist die Lufthansa die einzige Airline, es gibt also teilweise keine Ausweichmöglichkeiten. Und selbst wenn es diese gibt, sind die Verbindungen für den Weiterflug oft schlecht.
Dennoch wird der Streik nicht helfen, das angeschlagene Image zu verbessern. Das ist gefährlich in einem Moment, in dem die Lufthansa ohnehin Kunden verliert, weil andere Airlines billiger sind – und das bei gleichem oder besserem Service.
Ist es möglich, die langfristigen Schäden des Streiks zu beziffern?
In absoluten Zahlen nicht, nein. Es ist schwierig zu sagen, ob ein künftiger Rückgang der Buchungen auf den Streik zurückgeht, oder ob das Wetter oder eine Bedrohung wie Ebola daran schuld ist. Ich gehe aber davon aus, dass die Zahlen des aktuellen Quartals schlechter sind als noch im selben Quartal vor einem Jahr.
Kann der Streik dazu führen, dass die Lufthansa wegen der angehäuften Verluste Stellen streichen wird?
Das ist das Risiko. Wie es bei der Lufthansa aussieht, weiss ich zwar nicht. Aber wenn ich als CEO Leute entlassen müsste, würde ich als Erstes diejenigen entlassen, die am meisten kosten – und das sind Piloten. Ihr Salär beträgt brutto bis zu 350‘000 Franken im Jahr. Diejenigen Piloten, die mit neuen Verträgen angestellt würden, hätten natürlich keinen Anspruch mehr auf die gleichen Bedingungen.
Eine andere Lösung könnte es sein, die Piloten gar nicht mehr selber anzustellen, sondern sie über einen Personalvermittler auszuleihen. Das ist der Weg, den Billigfluggesellschaften oft wählen. Das wäre für die Piloten, die Unternehmenskultur und wohl langfristig auch für die Sicherheit kein wünschenswertes Szenario.