Kritik am Kurs der EZB mit den tiefen, negativen Zinsen kommt vor allem aus Deutschland. Weshalb gerade aus Deutschland?
Klaus Ammann: Einerseits glauben deutsche Ökonomen nicht daran, dass die EZB-Politik zum Erfolg führt. Sie warnen davor, dass die EZB so neue Risiken und Blasen schafft. Andererseits kritisieren sie, Draghi schiesse mit seinen Massnahmen weit über den eigentlichen Auftrag der EZB, für die Preisstabilität zu garantieren, hinaus. Deutsche Bankenvertreter und Politiker ihrerseits stören sich daran, dass die EZB mit ihrer Nullzins-Politik vor allem die Wirtschaft in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit ankurbeln will. Dies geschehe auf Kosten der Deutschen, die keine Zinsen mehr auf ihr Erspartes erhalten, kritisieren sie.
Welche Auswirkungen hat die EZB-Politik des billigen Geldes denn auf die Schweiz und den Kurs des Schweizer Frankens?
Der Franken hat sich wider Erwarten in den letzten Wochen wenig bewegt, ein Euro kostet derzeit etwa 1,09 Franken. Allerdings ist das kaum ausschliesslich dem freien Spiel der Marktkräfte zu verdanken. Wahrscheinlich hat die Schweizerische Nationalbank SNB zugunsten dieser Stabilität interveniert. Sie sagt seit Jahren, dass sie den Franken für zu stark hält und bereit sei, falls nötig einzugreifen, sprich Euro zu kaufen, um den Franken nicht allzu stark werden zu lassen. Es fällt auf, dass sich der Franken in den letzten Wochen – immer, wenn der Euro unter den Wert von 1,09 Franken gefallen ist – umgehend wieder erholt hat. Das deutet darauf hin, dass die SNB interveniert hat. Die monatliche SNB-Statistik zeigt denn auch, dass der Devisenberg wieder wächst. Er beträgt derzeit über 480 Milliarden Franken.
Wird die EZB diesen scharfen Negativzins-Kurs trotz Kritik und Befürchtungen noch lange weiterfahren?
Davon gehen die allermeisten Beobachter aus. Zwar hat Deutschland viel Gewicht in der EU, allerdings muss die EZB eine Politik für die gesamte Eurozone machen. Die Mehrheit der Staaten steht hinter Draghis Zinspolitik. Er würde die Zinsen sicher rasch wieder anheben, sobald die Wirtschaft in der Eurozone wieder wächst. Manche Ökonomen glauben, dass das bereits 2017 wieder der Fall sein könnte, die grosse Mehrheit der Auguren rechnet jedoch nicht damit. Deshalb dürften die Geldschleusen der EZB noch recht lange weit offen bleiben.
Das Interview führte Hans Ineichen.