Der «Rundschau» liegt ein Arbeitsvertrag des deutschen Schuh-Discounters Reno vor. Reno zahlt einer Verkäuferin einen Stundenlohn von 16, 95 Franken. Es handelt sich um einen Lohn in der Ostschweiz. «Unsere Löhne sind für den Standort richtig», sagt Reno-Geschäftsführer Matthias Händle. «In Zürich zahlen wir bessere Löhne als anderswo.»
Viele Reno-Mitarbeiterinnen haben keine Berufsausbildung und arbeiten auf Stundenlohn-Basis. «Reno ist das schwarze Schaf in der Branche», sagt Dieter Spiess, Präsident des Schweizer Schuhhandel-Verbandes.
Spiess wundert sich, dass es Frauen gibt, die für diesen Lohn überhaupt arbeiten. In seinem Schuh-Laden zahlt Spiess deutlich bessere Löhne. Dennoch: Von einem Mindestlohn in der Schuhverkaufsbranche hält er nichts: «Schuhhändler brauchen keinen Zwang von aussen, um gerechte Löhne zu zahlen.»
Branche im Visier des Bundes
Es ist nicht nur der deutsche Discounter Reno, der für Schweizer Verhältnisse schlecht zahlt. Bei Bata, der Nummer drei in der Branche, gibt es ein Beispiel für einen Lohn von 3400 Franken in einem 100-Prozent-Pensum. Bata verteidigt sich gegenüber der «Rundschau», Verkäuferinnen mit einer Ausbildung bekämen mehr als 4000 Franken – allerdings inklusive Umsatzbeteiligung und Gratifikation. Wie viel Ungelernte verdienen, wollte Bata nicht mitteilen.
Der Schuhhandel wird dieses Jahr zur Fokus-Branche des Bundes. Eine Kommission soll untersuchen, ob dort missbräuchlich tiefe Löhne gezahlt werden. Falls ja, könnte die Branche gezwungen werden, einen Gesamtarbeitsvertrag zu unterschreiben, in dem Saläre festgelegt werden. «So was kommt für uns nicht in Frage», schimpft Dieter Spiess vom Schuhhändler-Verband. «Das kostet nur Geld. Die Gewerkschaften schaffen damit neue Stellen, die keiner braucht.»
In der Rundschau berichten Schuhverkäuferinnen, dass sie nicht wissen, wie sie sich gegen schlechte Bezahlung wehren sollen. «Ich habe keine Kraft mehr, eine Bewerbung zu schreiben», sagt eine Frau. «Ich bin ein Wrack.»