Die Schweizer Milchproduzenten schlagen Alarm. Am Freitag trafen sie sich zu einem Krisengipfel in Bern. Die Milchpreise seien so tief, dass viele Bauern nicht mehr kostendeckend produzieren könnten, hiess es dort.
Der Preis von Molkereimilch, aus der etwa Konsummilch und Joghurt hergestellt wird, sei auf einem Rekordtief – die Lage für viele Bauern dramatisch, warnte Bauernverbandsdirektor Jacques Bourgeois vor den Medien.
Allein in den vergangenen vier Jahren sei die Anzahl der Milchproduzenten um 13 Prozent zurückgegangen, was rund 3000 Betrieben entspreche. Und auch für die nahe Zukunft sieht Bourgeois schwarz: Die Einkommenssituation der Milchbauern werde sich auch dieses Jahr dramatisch verschärfen.
Kurzfristige Massnahmen und mehr Marketing
«Alle sind sich einig, so kann es nicht weitergehen», sagte Bauernpräsident Markus Ritter nach dem Treffen. Gemeinsam mit den Schweizer Milchproduzenten (SMP) und der Branchenorganisation Milch (BOM) stellt der Bauernverband deshalb mehrere Forderungen.
Als Sofortmassnahme sollen unter anderem die Tierwohlbeiträge, die für regelmässigen Auslauf im Freien bezahlt werden, erhöht werden. Damit könne die Einkommenssituation der Produzenten direkt verbessert werden, sagte Ritter.
Absatz soll gefördert werden
Als kurzfristige Massnahme fordern die drei Organisationen zudem eine zusätzliche Marketingoffensive im Inland. Beim zuständigen Bundesamt stossen sie damit auf offene Ohren. So signalisiert etwa der Vize-Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft, Dominique Kohli, Unterstützung für die Absatzförderung. Punkto Direktzahlungen ist er allerdings zurückhaltend: «Wir sind am Vertiefen», so sein Kommentar dazu. Also kein klares Zeichen für notfallmässig mehr Geld vom Bund für die Milchbauern.
Einer, der sich für eine vorübergehende Stützung der Milchbauern stark macht, ist dagegen der Ökonom Martin Binswanger: «Sonst wird es zu einer weiteren Schrumpfung kommen – und tendeziell zu einer Landwirtschaft, die wir eigentlich nicht wollen», sagt er. Ohne Stützung sei eine hochindustrielle Landwirtschaft die einzige, die mit den tiefen Preisen überhaupt noch rentabel arbeiten könne. Es stellt sich also die Frage, welche Landwirtschaft sich die Schweiz leisten will und welchen Preis die Konsumenten bereit sind zu bezahlen.
Nachfolgelösung für Schoggigesetz
Neben den Sofortmassnahmen fordern die drei Milch-Organisationen eine grundsätzliche Überprüfung der Milchpolitik. Die heutigen Rahmenbedingungen seien nicht mehr ausreichend, schreiben sie in einer Medienmitteilung.
Unter anderem brauche es mittelfristig eine «milchspezifische» Nachfolgelösung für das sogenannte Schoggigesetz, mit welchem gewisse Schweizer Exporte subventioniert werden. Auf Druck der Welthandelsorganisation WTO müssen diese Beiträge bald abgeschafft werden.
Viele Gründe für den Preisverfall
Der tiefe Milchpreis beschäftigt die Bauern schon länger. Im vergangenen Jahr ist er im Durchschnitt um 10,6 Prozent auf knapp 60 Rappen pro Kilogramm gesunken. Besonders stark war der Rückgang bei der Molkereimilch und der verkästen Milch.
Ein Bericht des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) vom Februar nennt mehrere Gründe für diese Entwicklung: So sei die Produktion im In- und Ausland gestiegen, gleichzeitig seien die Preise auf den Weltmärkten gesunken, namentlich für Milchpulver und Butter. Zudem mache die Frankenstärke den Schweizer Milchproduzenten zu schaffen.