Der neue Mobilfunk-Standard 5G wird eine Revolution auslösen, davon ist Stephen Mollenkopf, CEO der Chip-Schmiede Qualcomm, überzeugt. Er vergleicht den Wechsel auf den neuen Standard gar mit der Einführung der Elektrizität. Oder des Autos. Wie diese Erfindungen soll auch 5G die Gesellschaft grundlegend verändern.
Möglich wird das, weil das neue Mobil-Funknetz alles, jeden und jede mit dem Internet verbinden kann: Autos mit Autos und einem Verkehrsleitsystem, das Pulsmessgerät mit einem Arzt, öffentliche Abfalleimer mit der Müllabfuhr, Menschen mit Musik und Filmen.
Schneller, kleiner, effizienter
Dazu streben die Hersteller Bandbreiten an von bis zu 20Gbit/sec (theoretisch) und Antwortzeiten von wenigen Millisekunden. Gleichzeitig sollen diese Chips auch viel sparsamer sein und nur noch einen Bruchteil des bisherigen Stromverbrauchs haben – eine der Voraussetzungen für das Internet der Dinge.
Mit solchen neuen 5G-Chips – etwa von Hersteller Qualcomm – können wir schon bald im Auto oder Flugzeug hochaufgelöste Filme anschauen, oder unterwegs eine Virtual-Reality-Brille benutzen.
Das 5G-Netz ist auch Voraussetzung für autonome Fahrzeuge. Denn damit die auch in voller Fahrt Nachrichten untereinander austauschen können («Achtung, ich bremse jetzt»), muss das Netz Mitteilungen ohne Verzögerungen ausliefern können. Laut der kürzlich veröffentlichten Spezifikation soll die Übertragung maximal vier Millisekunden dauern. Ein Auto, das mit 120 Km/h unterwegs ist, legt in dieser Zeit 12 Zentimeter zurück.
Verstoss gegen die Netzneutralität
Das neue Netz ist so schnell, dass es als Echtzeitsystem gilt. Das ist auch Voraussetzung für Anwendungen, die Virtual-Reality-Brillen einsetzen. Denn wenn diese Geräte ihre Bilder zeitversetzt anzeigen, kann das zum Problem werden. Zum Beispiel bei einer Live-Video-Aufnahme eines Balles, der auf die Trägerin zufliegt, und auf den sie reagieren muss.
Noch ist der Weg dafür aber nicht frei: Damit Telekom-Firmen kurze Reaktionszeiten im 5G-Netz garantieren können, müssen sie sicherheitsrelevante Nachrichten, etwa aus einem Auto, mit höherer Priorität übermitteln können als ein Youtube-Video. Doch eine solche Bevorzugung verstösst gegen das Prinzip der Netzneutralität, auf die sich die EU-Staaten eben erst geeinigt haben.
Wer soll das bezahlen ...
Und es gibt noch weitere Hindernisse: Basis für das 5G Netz ist eine neue Funktechnologie im Hochfrequenzbereich. Damit lässt sich zwar mehr Information übertragen, die Wellen, die nur noch wenige Millimeter lang sind, verhalten sich aber anders als in den aktuellen Netzwerken. Jetzt schon ist klar: Es braucht mehr Antennen. Und weil die Erfahrung fehlt, wie sich die sehr kurzen Wellen verhalten, wenn sie etwa auf eine Mauer stossen, muss zuerst Grundlagenforschung betrieben werden.
Wie wenn das nicht schon teuer genug wäre, braucht es auch noch Forschung, wie man diese neuen Technologie in den einzelnen Industrien (Gesundheitsversorgung, Unterhaltung, Energieversorgung etc.) einsetzen und damit auch Geld verdienen kann.
Weil dazu ein grosser finanzieller Aufwand nötig ist, haben sich verschiedene Technologie- und Telekom-Firmen zusammengeschlossen und sich im letzten Sommer mit einem 5G Manifesto an die EU gewandt. Darin fordern sie finanzielle Unterstützung in Milliardenhöhe. Die EU wiederum sieht das Hochleistungsnetzwerk als wichtige Voraussetzung, um im globalen Wettbewerb zu bestehen und als Grundlage für den Digital Single Market, den sie laut Aktionsplan bis 2020 umsetzen will.
Revolution oder Rohrkrepierer?
Dass 5G bis in drei Jahren die Gesellschaft im Sinne von Stephen Mollenkopf umpflügt, ist unwahrscheinlich. Denn die Einführung neuer Technologien folgt oft einem Muster: Zu Beginn dominiert die Euphorie. Die nährt die Erwartung, dass eine Technologie in kurzer Zeit grosse Auswirkungen zeitigen wird. Weil die Einführung aber langsamer verläuft als erwartet, bleiben die erst einmal aus.
Auf lange Sicht aber ist der Einfluss grösser, als man sich zuvor selbst in der Begeisterung vorstellen konnte. Auch 5G dürfte diesem Muster folgen.