Für Diabetiker ist die Überwachung des Blutzuckerspiegels aufwändig. Nun soll eine «intelligente» Kontaktlinse Betroffenen den Alltag künftig erleichtern. Ein Minisensor im Auge soll dabei den Blutzucker messen. Hierbei handelt es sich um ein neues Projekt des Pharmakonzerns Novartis und des Internet-Giganten Google.
Doch wenn zwei ganz Grossen aus völlig unterschiedlichen Bereichen zusammenarbeiten, fragt sich immer, wie sinnvoll ist das. «Ich finde das eine sehr interessante Zusammenarbeit», sagt Stephan Sigrist. Er leitet den Think-Tank WIRE an der ETH und beobachtet die Zukunftstrends im Gesundheitswesen.
«Die Kooperation könnte wegweisend für die Medizin sein», so Sigrist weiter. Die Medizin werde datenbasiert. Bis jetzt habe es aber im Bereich Diabetes noch keine Zusammenarbeit zwischen einem grossen Pharmaunternehmen und einem IT-Konzern gegeben.
Die neuen Kontaktlinsen haben zwischen zwei Schichten einen mikrokleinen Sensor und einen Funk-Chip. Damit soll die Tränenflüssigkeit untersucht und das Resultat drahtlos an ein Handy oder eine Smart-Watch übertragen werden. Diabetes-Patienten müssten dann nicht mehr ständig mit einer kleinen Blutprobe mühsam ihren Blutzuckerspiegel messen.
Pharma-Analystin: «Ein Prestige-Erfolg für Novartis»
Dass Google für dieses Zukunftsprojekt den Basler Pharmakonzern ausgewählt hat, sei ein grosser Erfolg, sagt Birgit Kulhoff. Sie ist Pharma-Analystin bei der Privatbank Rahn und Bodmer. «Es ist für Novartis definitiv ein Prestige-Erfolg.» Die Augenheilkunde von Novartis erhalte dadurch einen Vorsprung gegenüber den Konkurrenten.
Hinzu kommt, dass weltweit gegen 400 Millionen Menschen an Diabetes leiden – Tendenz stark steigend. Für Google und Novartis ist das also ein äussert lukrativer Markt.
Google setzt seit längerem immer wieder auf Projekte, die nicht direkt mit seiner Kernkompetenz, dem Suchmaschinengeschäft, zu tun haben. Seien dies Projekte im Energiebereich, mit neuer Fahrzeugtechnologie oder eine solche Super-Kontaktlinse. Dabei braucht Google starke Partner wie jetzt eben Novartis.
Medizinische Überwachung des Körpers immer wichtiger
Doch ist das Projekt tatsächlich mehr als eine blosse Spielerei? Ja, sind sich der Gesundheitsforscher und die Pharma-Analystin einig. Denn könnten die schweren Nebenwirkungen einer Diabetes-Erkrankung verhindert werden, spare dies massiv Kosten im Gesundheitswesen.
Für den Zukunftsforscher Sigrist zeigt das neue Projekt aber auch, dass die medizinische Überwachung des Körpers immer wichtiger werde. Bereits heute können Schlafrhythmus, Energieverbrauch oder die tägliche Bewegung gemessen werden.
Hier Fuss zu fassen, sei für Novartis wichtig: «Bislang waren es vor allem Sportunternehmen, die sich in diesem Markt positioniert haben», so Sigrist. Nun komme der Pharmamulti Novartis als «Major-Player» und gehe zusammen mit Google in diese Richtung. «Man darf gespannt sein, wie sich das weiterentwickelt.»
Doch solche High-Tech Projekte brauchen Zeit. Novartis und Google rechnen mit einer Entwicklungszeit von mindestens fünf Jahren.