2006 kostete ein Platz in einem Pflegeheim rund 80‘000 Franken pro Jahr. 6 Jahre später, und nach der Reform der Pflegefinanzierung, lagen die Kosten 2012 bei knapp 99‘000 Franken. Das ist ein Anstieg um 25 Prozent. Gleichzeitig hat die Anzahl der Heimplätze deutlich weniger zugenommen: um 8 Prozent.
Die Gesamtkosten für Pflegeheime in der Schweiz liegen heute bei mehr als 9 Milliarden Franken. Mitverantwortlich für diese Summe ist auch der Staat, der mit immer neuen Vorschriften als Kostentreiber wirkt.
Zwei Quadratmeter mehr: Unnötig oder wichtig?
Beat Wenger, der in mehreren Kantonen Pflegeheime baut und betreibt, illustriert es an einem Beispiel: Die Zimmer im Altbau des Thuner Alters- und Pflegeheims «Schärmehof» haben eine Grösse von 12 bis 14 Quadratmetern. Im Kanton Bern ist zurzeit eine Vernehmlassung im Gang, die eine Mindestgrösse von 16 Quadratmetern vorschreiben will. «Wenn das passiert, wären wir betroffen und müssten umbauen», sagt Beat Wenger während des Besuchs von «ECO». «Da sprechen wir von Investitionen von mehreren hunderttausend Franken, die das nach sich ziehen würde.» Ob sich dadurch die Lebensqualität der Heimbewohner erhöhen würde, stellt Beat Wenger infrage: «Es kommt auf andere Faktoren mehr an als auf die zwei Quadratmeter.»
Markus Loosli vom Alters- und Behindertenamt des Kantons Bern verteidigt die Massnahme: «Wir haben uns überlegt: Wie viele Quadratmeter braucht es für Menschen, die schwer pflegebedürftig sind? Und die Anzahl dieser Menschen wird zunehmen in den Pflegeheimen. Da muss man das Bett bewegen können, muss jemanden allenfalls mit dem Rollstuhl anheben können.» Ein Richtwert von 16 Quadratmetern sei dabei das Minimum.
Weitere Beispiele, die Beat Wenger gegenüber «ECO» veranschaulicht, sind:
- strengere Brandschutzvorschriften
- zusätzliche Anforderungen für das Fahren eines Heimbusses
- neue Vorschriften bei geplanten Umbauten
- längere Ausbildungszeiten für Personal
7000 Eigenleistung pro Monat
Mit jeder neuen Vorschrift steigen die Kosten pro Platz. Leidtragende sind Personen wie Herbert Vonarburg. Seit knapp vier Jahren benötigt seine Alzheimer-kranke Frau Heimpflege. Diese summiert sich auf 12'000 Franken pro Monat. Für Herbert Vonarburg heisst das: Mit AHV und Pensionskassen-Rente muss er daran 7000 Franken leisten. Für «grosse Sprünge» bleibt nichts mehr.
Pflegerechtsexperte Hardy Landolt sorgt sich angesichts dieser Verhältnisse um den Schweizer Mittelstand. «Wenn Sie den Mittelstand so definieren, dass er etwas mehr als eine halbe Million Franken besitzt – und das, denke ich, hat ein Einfamilienhaus-Besitzer rasch einmal – dann ist das ein eklatantes Problem: Denn alles über 300'000 Franken, das ist die Vermögensfreigrenze der Pflegeheimkosten-Finanzierung, muss man sich anrechnen lassen.» 300'000 beziehen sich dabei auf Immobilien-Werte. Bei Barvermögen bleiben für Ehepaare 60'000 und für Einzelpersonen 37'000 Franken unangetastet.
Der Mittelstand sei durch die neue Pflegefinanzierung geschützt, entgegnet Andreas Dummermuth, Leiter AHV Ausgleichskasse Kanton Schwyz: Mit maximal 22 Franken pro Tag oder rund 7800 Franken im Jahr, die der einzelne selber für die Pflegekosten bezahlen müsse, sei dieses Risiko gedeckelt. Der Rest der Summe entfiele auf die beiden weiteren Komponenten Betreuung und Hotellerie. Jeder könne selbst entscheiden: «Gehe ich in ein 1-Stern- oder in ein 5-Stern-Hotel, in ein 1-Stern- oder ein 5-Stern-Heim», so Dummermuth. Entsprechend steigt dann die Belastung.
Anwalt Hardy Landolt findet dennoch: Der Mittelstand müsse entlastet werden. Dies könne auf zweierlei Hinsicht geschehen: «Entweder geben wir den Menschen, die es bezahlen müssen, mehr Geld; es bräuchte dann eine Anpassung der Versicherungsleistungen. Oder wir investieren in volkswirtschaftlich günstigere Pflege-Formen.» Denn die Heimunterbringung sei die kostenintensivste.