Robert Shiller liebt Sportveranstaltungen. Doch es ist nicht die Action auf dem Spielfeld, die den Verhaltensökonomen an der renommierten Yale-Universität interessiert. Seine Augen seien stets auf das Publikum gerichtet, sagt er.
Es fasziniere ihn, wie die Zuschauer sich verhielten. Wie sich die Köpfe der Leute alle in die gleiche Richtung bewegten, dorthin, wo der Spieler mit dem Ball hinsteuert. «Fast so, als ob sie auf diese Weise auf den Spieler Einfluss nehmen könnten», erzählt Shiller, der oft schneller denkt als er spricht. Deshalb formuliert er seine Sätze selten zu Ende.
Negative Folgen kollektiver Fehleinschätzung
Dieses Verhalten sei typisch für die Menschen, sagt der neue Nobelpreisträger. Ein Herdentrieb, der auch ausserhalb der Sportarena anzutreffen ist: «Die Menschen tendieren dazu, ähnlich zu denken und zu handeln. Sie konstruieren sich ihre Realität mit Halbwissen. Und dieses Halbwissen wird, wenn es die Mitmenschen bestätigen, zur Wahrheit – einer vermeintlichen Wahrheit.» Das sei auch beim Geldanlegen so.
«Vor Ausbruch der jüngsten Finanzkrise hat man gedacht, die Häuserpreise könnten nur steigen. Keine ökonomische Theorie unterstützt diese These. Und doch haben die Leute blindlings in Immobilien investiert», sagt Shiller. Das sei der Zeitgeist gewesen.
Dass Immobilienpreise auch sinken können, ist seit der Finanzkrise wieder in den Köpfen der Menschen. Die Folgen dieser kollektiven Fehleinschätzung waren allerdings verheerend, in den USA und anderswo. Viele verloren viel Geld oder gar ihr Haus.
Die Märkte sind nicht absolut effizient
Robert Shiller ist kein klassischer Mainstream-Ökonom. Im Gegensatz zu Eugene Fama, der heute ebenfalls mit einem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, glaubt er nicht an die absolute Effizienz der Märkte. Darum seien Spekulationsblasen möglich, sagt der 67-Jährige. Er hat etwas Spitzbübisches und wirkt deshalb viel jünger.
Übertreibungen liessen sich nie ganz verhindern. Doch es gebe Möglichkeiten, diese etwas weniger gross – und damit weniger schädlich – werden zu lassen, sagt der Uni-Professor. Der Staat subventioniere schon heute das Bildungswesen. Er müsse dafür sorgen, dass die Menschen mehr wüssten über Finanzmärkte, und zwar nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene.
Shiller hat den richtigen Riecher für Krisen
Dazu gehört, dass es öffentliche Daten gibt, die den Wert verschiedener Güter aufzeigen. Shiller hat deshalb den bekanntesten Immobilienindex mitentwickelt, den Case-Shiller-Index. Dieser zeigt, wie sehr Liegenschaften in den USA über- oder unterbewertet sind – sprich: der Index warnt vor Immobilienblasen.
Shiller scheint auf der richtigen Spur zu sein. Er hat nicht nur eine, sondern zwei Blasen auf den Finanzmärkten richtig vorausgesagt: Die Dotcom-Blase Ende der Neunzigerjahre und dann die Immobilienblase.
Offenbar kann er sich dem Herdentrieb entziehen. Doch wie schafft er das? Sein Vater habe ihm immer gesagt, er solle unabhängig denken. Deshalb habe er ihm auch nicht erlaubt, fernzusehen. Das mache er bis heute nicht, fügt er an. Er hätte Angst, dass er dadurch zu denken beginne wie alle anderen.