Der Finanzmarkt hofft auf Hillary Clinton. Das ist am Montagmorgen auch dem Letzten bewusst geworden. Nachdem die Demokratin in der E-Mail-Affäre am Vortag von der Bundespolizei FBI entlastet worden war, gingen die Börsenkurse nach Markteröffnung am Montag nach oben. Auch der Dollarkurs stieg. Entsprechend gross ist auf der anderen Seite die Erleichterung darüber, dass der Republikaner Trump im Rennen um die US-Präsidentschaft Umfragen zufolge wieder zurückgefallen ist.
Trump könnte Kurse bewegen – nach unten
Trump gilt als unberechenbarer Investorenschreck. «Er ist extrem schwer einzuschätzen», sagte Chefanalyst Karsten Junius von der Bank J. Safra Sarasin gegenüber SRF. Vor allem mit Blick auf seine Aussenpolitik und internationale Handelsverträge sei die Unsicherheit gross.
Investoren scheuen Unsicherheit wie der Teufel das Weihwasser. Denn wenn unklar ist, wie es in der Wirtschaftspolitik weitergeht, sei auch unklar, ob sich ihre Investitionen auszahlen. Diese Unsicherheit dürfte sich auch an den Börsen widerspiegeln: «Wir rechnen daher damit, dass es zu sehr starken Kursschwankungen kommen kann, wenn Trump gewählt wird», sagt Junius.
Trumps Widersacherin Hillary Clinton gilt bei Investoren dagegen als Garantin für Kontinuität in der Wirtschaftspolitik. «Wenn sie gewinnt, könnte es eine Erleichterungs-Rallye an den Börsen geben», sagt Bank-Analyst Junius. Soll heissen: steigende Kurse, weil Trump verhindert wurde, zumindest kurzfristig.
Mit Clinton dürften Zinsen steigen
Die Wahrscheinlichkeit, dass unter einer Präsidentin Clinton die US-Notenbank FED die Leitzinsen bei der nächsten Sitzung im Dezember noch einmal leicht anhebt, wäre gross. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Die US-Wirtschaft wächst moderat, die Inflation zieht leicht an, es werden mehr Stellen auf dem Arbeitsmarkt geschaffen. «Unter Clinton wäre ein Zinsschritt wahrscheinlich, bei Trump wäre es nicht sicher», sagt Junius.
Lieber nicht auf Clinton wetten
Was auf mittlere Sicht passiert, ist allerdings auch unter einer Präsidentin Clinton nicht messerscharf absehbar. Im Wahlkampf hat die Demokratin zum Beispiel höhere Steuern und eine strengere Regulierung der Finanzbranche angekündigt. Und ausserdem die hohen Preise für Medikamente kritisiert. Alles Themen, die die betroffenen Branchen und Investoren nicht erfreuen können. Die kalte Dusche für Investoren könnte also mit Verzögerung kommen, wenn sich Clinton durchsetzt. Und auch die nötigen Mehrheiten im Kongress bekommt, um ihre Politik umzusetzen.
Darauf wetten, dass es die Wunschkandidatin der Investoren schafft, mag Karsten Junius allerdings nicht. «Ich bin vorsichtig geworden», sagt der Analyst.
Wie schnell sich die Verhältnisse ändern können, hat die letzte Woche gezeigt: Nachdem FBI-Chef James Comey angekündigt hatte, dass es möglicherweise neue Ermittlungen gegen Hillary Clinton in der E-Mail-Affäre gibt, war ihr sicher geglaubter Vorsprung schnell dahin.
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