Ein Wirtschaftswachstum von sechs bis acht Prozent pro Jahr – davon können Industrieländer nur träumen. In Afrika liegen die Wachstumsraten schon seit zehn Jahren auf diesem Niveau. Und das dürfte vorerst auch so bleiben, erwarten wichtige Institutionen wie der Internationale Währungsfonds IWF und die Weltbank.
Antoinette Sayeh, Chefin des Afrika-Departments beim IWF, begründet diese Zuversicht mit anhaltend hohen Rohstoffpreisen. Davon profitierten natürlich die afrikanischen Exporteure. Weitere Gründe für den Optimismus seien der private Konsum einer wachsenden Mittelschicht und mehr Direktinvestitionen aus dem Ausland, sagt die liberianische Ökonomin.
Gute Voraussetzungen für viele Jobs
Das sollten eigentlich genügend gute Voraussetzungen sein, um Millionen Jobs zu schaffen und die Armut in vielen afrikanischen Ländern zu den Akten zu legen.
Doch Experten wie Robert Kappel warnen vor allzu grossen Erwartungen. Sechs Prozent im Durchschnitt heisse, dass einige wenige Länder sechs bis acht Prozent Wachstum hätten. «Aber dieses liegt bei der Mehrheit der Länder zwischen drei und fünf Prozent. Und wenn man das Bevölkerungswachstum von 2,5-2,8 abzieht, bleibt ein eher durchschnittliches Wachstum von zwei bis drei Prozent», sagt der Präsident des Hamburger Giga-Instituts für Regionalstudien.
Kein Profit für die Armen
Und dass der Wirtschaftsboom vor allem auf dem Preissprung bei Rohstoffen beruhe, sei eher ein Nachteil, sagt Kappel. «Dieses Wachstum kommt nicht unbedingt bei den Armen an.» Die Rohstoffe wandern ins Ausland und schaffen keine Jobs.
Beispiel Mosambik. Dank der reichen Vorkommen am Aluminium-Erz Bauxit ist die Wirtschaft des südostafrikanischen Landes zuletzt um bis zu acht Prozent gewachsen. Dennoch, sagt Kappel: «Die Bevölkerung ist weitgehend sehr arm. Mosambik gehört bis heute zu den allerärmsten Ländern auf dem afrikanischen Kontinent.»
Der Regierung sei es nicht gelungen, die Rohstoffeinnahmen sinnvoll für die Fortentwicklung der Landwirtschaft zu nutzen. Diese diene nach wie vor der Selbstversorgung. Noch immer gebe es nur wenige Strassen zu den Dörfern. Und die Elektrizitäts- und Gesundheitsversorgung seien sehr schlecht. «Das heisst, Rohstoffexporte in diesem doch sehr interessanten Land Mosambik führen dazu, dass der Staat zwar mehr Gelder einnimmt und auch die Elite sich in diesem Land daran bereichern kann. Aber die Mehrheit der Bevölkerung bleibt von einer Dynamik des Wirtschaftskreislaufs völlig ausgeschlossen.»
Innere Stabilität fehlt
Mosambik ist kein Einzelfall. Vor allem deshalb fällt die Bilanz des afrikanischen Booms sehr gemischt aus, wie auch die grundsätzlich optimistische Weltbank zugeben muss. Afrika-Chef Jan Walliser sagt zwar, dass Länder in Ostafrika, wie Kenia, die Erfolgsgeschichte von Schwellenländern wie China oder Indien wiederholen könnten. Aber in anderen afrikanischen Ländern werde das sehr viel schwieriger werden, «weil die innere Stabilität noch fehlt». Man spreche hier viel über fragile Staaten. «Und eines der extremen Beispiele ist die zentralafrikanische Republik, wo es eben sehr viel schwieriger sein wird», sagt Weltbankökonom Walliser.
Es sei nicht so, dass es keine Fortschritte gebe, betont Kappel. Die Gesundheitsversorgung habe sich verbessert, die Lebenserwartung sei gestiegen und mehr Kinder könnten die Schule besuchen. Aber: Das Millenniums-Entwicklungsziel der UNO, die Armut in Afrika bis 2015 zu halbieren, werde nicht erreicht.