Journalistinnen und Journalisten sind wenig begeistert von der Vorstellung, dass bald Roboter einen Teil ihrer Arbeit erledigen könnten. Computer sind günstig im Unterhalt. Sie arbeiten schnell und erledigen Routinearbeiten klaglos. Das könnte Verleger durchaus auf den Gedanken bringen, dereinst einige ihrer Schreibarbeiter durch Maschinen zu ersetzen. Doch noch dürften es sich gerade Qualitätsmedien zweimal überlegen, ob sich die Anschaffung lohnt. Denn im Moment lesen sich von einem Computer geschriebene Text noch so:
«Analysten erwarten, dass Campbell Soup am Montag für das dritte Quartal weniger Gewinn ausweisen wird. Campbell hat vor einem Jahr einen Gewinn von 62 Cent pro Aktie ausgewiesen, aber unter den Analysten herrscht Konsens, dass es dieses Mal nur 59 Cent sein werden.»
Geschrieben hat die Nachrichtenmeldung auf der Webseite des US-amerikanischen Wirtschaftsportals Forbesein ein Computerprogramm der Firma «Narrative Science». Das Unternehmen ist – neben «Automated Insights» – die derzeit grösste Anbieterin von computergenerierten Nachrichtentexten in den USA. Dutzende Newsportale nehmen die Dienste bereits in Anspruch. Täglich werden hunderte von Maschinen geschriebene Meldungen im Internet publiziert und in Zeitungen gedruckt.
Wortwiederholungen und starrer Aufbau
Besonders attraktiv klingt die Meldung nicht. Auffällig sind die vielen Wortwiederholungen. Und wenn man sich auf der Forbes-Webseite weitere Meldungen zu Gemüte führt, stellt man schnell fest, dass die Texte sehr gleichförmig aufgebaut sind.
Das sei nicht verwunderlich, sagt Simon Clematide vom Institut für Computerlinguistik an der Universität Zürich. Man könne von einem Computer heute noch nicht erwarten, dass er einen schönen Text komponiert: «Es geht darum, dass man Textbausteine rezykliert.» Danach würden die Daten über den Fall gesammelt, über den man berichten wolle. «Und dann fügt der Computer die Informationen flexibel in diese von Menschen geschriebenen Textbausteine ein.» Seit 20 Jahren versuche man, dem Computer beizubringen, selbständig Texte auf ein weisses Blatt Papier zu schreiben – bisher vergeblich, sagt Clematide.
Keine Reportagen oder Investigativjournalismus zu erwarten
Daniel Perrin, Professor am Winterthurer Institut für Angewandte Medienwissenschaft, meint deshalb, dass es von Computern in den nächsten Jahren noch keine Reportagen, keine grossen Recherchegeschichten oder Interviews geben werde.
Der Computer habe im Redaktionsalltag vor allem dann seinen Platz, «wenn Daten zu einfachen Texten geworden sind, welche Regeln gehorchen, die festlegbar sind.» Das seien vergleichsweise langweilige Texte, wie Sportresultate oder Abstimmungsresultate, sagt Perrin. «Das sind immer jene Situationen, in denen grosse Mengen von Daten in eine kleine Menge von regelhaften Sätzen umgemünzt werden müssen. Und das können Maschinen tatsächlich je länger, je besser.»
Die Maschinen können heute allerdings schon mehr, als bloss Lückentexte mit Zahlen zu füllen. Denn die so genannten Algorithmen sind umfangreiche Computerprogramme, die komplexe Aufgaben lösen können. Algorithmen sind beispielsweise bereits in der Lage, selbständig zu erkennen, ob eine Firma im vergangenen Jahr Gewinn gemacht hat, ob dies dem Trend der letzten Jahre entspricht und wie sich das Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz entwickelt hat.
Maschine trainieren
Natürlich müsse man dies dem Computer zuerst beibringen, erklärt Saim Alkan. Seine Stuttgarter Kommunikationsfirma Aexea hat ein solches Computerprogramm entwickelt. «Wir bringen der Maschine ein Regelwerk bei, mit dem sie lernt, wie die Informationen einzuordnen sind.» Gleichzeitig hinterlege man Grammatikregeln. «Danach bringen wir dem Programm bei, Worte aus einem vorgefertigten Wortschatz in grammatikalisch korrekter Form so zusammenzufügen, dass ein fliessender Satz entsteht.»
Daraus könne der Computer blitzschnell und in grossen Mengen Texte herstellen. Seine Server, sagt Alkan, könnten theoretisch über 3,5 Millionen Texte pro Tag verfassen. Seine Aexea und eine Konkurrenzfirma sind derzeit daran, ihre Algorithmen so zu verfeinern, dass – wie sie hoffen – auch deutschsprachige Nachrichtenportale ihre Dienste in Anspruch nehmen wollen.
Keine Konkurrenz für Journalisten
Ob bis in 20 Jahren reine Nachrichtentexte fast ausschliesslich von Maschinen produziert werden, wie dies einige Experten heute prognostizieren, ist fraglich. In einem Bereich jedoch wird sich der Roboterjournalismus schnell durchsetzen – bei individualisierten Nachrichten.
Wenn Journalisten durch den Computer von Routineaufgaben entlastet würden, sagt Medienprofessor Perrin, könnten sich vielleicht mehr auf ihre Kernaufgabe konzentrieren: «Journalismus ist in der Welt der überall und immer zugänglichen Information stärker denn je die gesellschaftliche Leistung, das Komplexe, Unüberschaubare, verständlich, sinnvoll zu machen. Diese Leistung braucht auch Empathie und Spürsinn über das Statistische und Algorithmische hinaus.»