Im Bundesgesetz über Banken und Sparkassen steht: Mitglieder der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrates müssen «einen guten Ruf geniessen» sowie «Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit» bieten.
Gewähr, das heisst: Die Führungskraft muss in der Lage sein, fachlich und charakterlich die Bank korrekt zu führen. Für die Prüfung dieser Gewähr ist die Finanzmarktaufsicht Finma zuständig – wenn sie Hinweise auf ein Fehlverhalten in einem Finanzinstitut erhält oder ein neues Institut eine Bewilligung beantragt. Vergangenes Jahr führte sie sieben solcher Prüfungen durch.
Abschreckungs- und Drohpotenzial
Allein die Androhung kann Wirkung erzielen. Das zeigen die Aussagen des ehemaligen Untersuchungsrichters für Wirtschaftsdelikte, Michael Kunz. Er glaubt: «In der Praxis dürften viele, wenn nicht die meisten Fälle, in denen die Gewähr eines Organs in Frage gestellt ist, sich ohne formelles Gewährsverfahren von alleine klären. Und zwar, indem die Person, der gedroht wird, die Gewähr abzusprechen, sich aus dieser Funktion zurückzieht.» Schon der Umstand, dass die Gewähr jederzeit zu erfüllen ist, führe dazu, dass sie Abschreckungs- bzw. Drohpotenzial habe.
Ein Beispiel: Dem früheren UBS-Präsidenten Marcel Ospel drohten Finma-Vertreter mit einer Gewährsprüfung. Nach aussen gab er 2009 bekannt, er wolle «auf eine Kandidatur für eine Wiederwahl für ein weiteres Jahr verzichten».
Rechtsanwalt Michael Kunz weist darauf hin, dass die Finma in der Regel «aufräumt, nachdem etwas passiert ist». Dass die Aufsicht meist erst im Nachhinein von Schwierigkeiten einer Bank erfahre, sei ein inhärentes Problem des Instruments. Er erklärt: «Die Gewähr kommt in der Praxis erst zum Zug, wenn ein Fehlverhalten festgestellt wird oder Verletzungen von aufsichtsrechtlichen Bestimmungen vermutet werden oder nachgewiesen sind.»
Angst vor «Frühstücksdirektoren»
Ohne konkreten Nachweis können die obersten Organe für das Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter in der Regel nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Frage stellt sich: Ist ein Top-Banker nicht qua seiner Funktion letztlich immer verantwortlich? Laut Michael Kunz habe es nach der Finanzkrise Diskussionen gegeben; in der Schweiz sei man allerdings der Auffassung gewesen, dass der neue Ansatz das Problem nicht wirklich würde lösen können.
Michael Kunz, der einst für die Bankenkommission, die heutige Finma, arbeitete, sagt: «Man hat befürchtet, dass es zur Entwicklung so genannter ‹Frühstücksdirektoren› führen wird, die einfach ihre Funktion und Verantwortung haben für den Fall, dass etwas passiert – und auch entsprechend Lohn und Bonus beziehen, um dieses Risiko abzufedern.» Es würde sich also um Manager handeln, die keine tatsächlichen Entscheidungsträger wären. Die wahren Verantwortlichen blieben unbehelligt.
Die Gewährsprüfung spielt womöglich eine Rolle im Steuerstreit mit den USA. Es laufen Verfahren gegen rund ein Dutzend Schweizer Banken. Deren Spitzen-Banker werden sich genau überlegen, ob sie sich persönlich schuldig bekennen. Michael Kunz rechnet damit, dass es in der Regel um Schuldeingeständnisse von Banken als Ganzes gehen werde – und nicht um individuelle Eingeständnisse. Im zweiten Fall müsste die Finma die Gewähr dieser Manager wohl neu überprüfen.