«Das war ein Riesenschock», erinnert sich Andreas Schmidheini an den 15. Januar 2015. Die Nachricht, dass die Schweizerische Nationalbank den Mindestkurs zum Euro aufheben würde, erwischte den Geschäftsführer der Varioprint AG in Heiden (AR) kalt. «Noch zehn Tage zuvor hiess es, die SNB würde um jeden Preis am Mindestkurs festhalten. Diese Kehrtwende konnte niemand erwarten, zumal sich die Ausgangslage gegenüber Anfang Jahr ja nicht geändert hatte.»
Abläufe nochmals verbessern
Schmidheinis Unternehmen stellt am Standort Heiden mit 150 Mitarbeitern Leiterplatten her. Die Platinen werden vom Appenzellerland aus in die ganze Welt verschickt. Rund 70 Prozent gehen in den Export, der allergrösste Teil in den Euroraum. «Schon vor dem SNB-Entscheid waren wir zwischen 10 und 20 Prozent teurer als unsere Konkurrenten in Deutschland», sagt Schmidheini. «Das konnten wir durch Service, Qualität und technische Beratung auffangen. Bei einem Wechselkurs von 1:1 wird die Preisdifferenz nun aber zu gross, fürchte ich.»
Und nun? Wie viele andere Schweizer KMU wird Schmidheini versuchen, die Zitrone noch ein bisschen mehr auszupressen – die Effizienz zu steigern, wie es im nüchternen Unternehmerdeutsch heisst. Einen kleinen Spielraum dafür gebe es, sagt Schmidheini. «Ich sehe das im Bereich von drei bis fünf Prozent, auf keinen Fall mehr. Das Potenzial ist nicht mehr so gross wie 2011.» Sämtliche Abläufe kommen noch einmal unter die Lupe. «Eine weitere Möglichkeit ist die Automatisierung.» Schmidheini kann sich vorstellen, rasch neue Anlagen anzuschaffen und so den Eurobestand abzubauen. Mit Folgen für die Belegschaft: Mit mehr Maschinen liessen sich die Personalkosten in der Schweiz reduzieren. «Ein Personalabbau lässt sich nicht vermeiden.»
Kein Patentrezept
So wie Schmidheini müssen viele exportorientierte Schweizer KMU nach dem SNB-Entscheid noch einmal über die Bücher. Ein Patentrezept gebe es dafür nicht, sagt Rudolf Minsch, Chefökonom bei Economiesuisse. «Jedes Unternehmen muss selber entscheiden, wo sich Kosten am besten einsparen lassen.» Das könne beim Einkauf sein, bei Prozessoptimierungen, beim Verkauf unrentabler Bereiche oder bei den Lohnkosten. «Wenn immer möglich werden Unternehmen aber versuchen, Lohnkürzungen zu vermeiden», so Minsch.
Das sieht auch Varioprint-Geschäftsführer Andreas Schmidheini so. «Lohnkürzungen sind kein Thema für uns», sagt er. Einige Firmen in der Region diskutierten aber darüber, ob sie die Arbeitszeit erhöhen wollen, aber auch dazu gebe es in seinem Unternehmen noch keine konkreten Pläne.
Einer, der laut über längere Arbeitszeiten nachdenkt, ist Remo Trunz, der CEO der Trunz AG in Steinach (SG), die vor allem als Zulieferer in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik tätig ist und rund 200 Mitarbeiter beschäftigt. «Wir sehen im Moment zwei Möglichkeiten», sagt Trunz. «Das eine sind personelle Massnahmen. Lohnkürzungen betrachten wir als letzte Möglichkeit, aber eine Verlängerung der Arbeitszeiten ist denkbar.» Neue Mitarbeiter würden derzeit keine eingestellt.
Eine andere Möglichkeit sieht Trunz bei seinen Lieferanten. «Wir werden mit ihnen sprechen, um bessere Einkaufsbedingungen zu erhalten.» Auch bei Remo Trunz sitzt der Schock über die Freigabe des Euro-Kurses noch tief. «Die Verunsicherung ist gross.»
«Lohnkürzungen oder Stellenabbau stehen bei uns nicht an»
Auch beim Backwarenhersteller HUG in Malters (LU) müssen sich die rund 380 Mitarbeiter derzeit nicht um ihre Arbeitsplätze sorgen. «Lohnkürzungen oder Stellenabbau stehen bei uns nicht an», sagt Verwaltungsratspräsident Werner Hug. «Das wäre erst der Fall, wenn sich die gesamte Wirtschaft negativ entwickeln und die Binnennachfrage nachlassen würde.»
Hug sorgt sich derzeit vor allem um die fehlende Planungssicherheit. «Niemand weiss, ob sich der Franken-Kurs eher bei 1,10 oder bei 0,95 Euro einpendeln wird», sagt er.
Der Backwarenhersteller, der an drei Schweizer Standorten unter anderem die Dar Vida-Cracker und Willisauer Ringli herstellt, hat bereits bei der letzten Euro-Franken-Parität 2011 reagiert. «Damals haben wir uns von verschiedenen Aufträgen im Euroraum gelöst. Stattdessen haben wir versucht, den Umsatz im Dollar-Raum zu steigern.» Derzeit liege der Exportanteil in die Euroländer noch bei etwa acht bis zehn Prozent.
Weniger Regulierung
Einig sind sich die KMU-Unternehmer auch noch in einer anderen Frage: Von Subventionen oder Konjunkturpaketen wollen sie nichts wissen. «Wir hätten natürlich gern mehr Planungssicherheit, auch um unsere Mitarbeiter beruhigen zu können», sagt Remo Trunz. «1,10 Euro wäre für uns sicher erträglicher gewesen.» Aber nun müsse sich der Markt selber finden.
Schmidheini und Hug wünschen sich weniger Regulierung durch den Staat. «So wie es eine Schuldenbremse gibt, brauchen wir nun eine Gesetzesbremse», sagt etwa Schmidheini. «Wir verbringen viel zu viel Zeit damit, Dinge für den Staat zu erledigen, weil irgendein Gesetz das verlangt. Das muss aufhören.» Für die Anliegen der KMU hofft er auf mehr Gehör im Parlament. «Bisher wird an unseren Bedürfnissen vorbeipolitisiert.» Werner Hug wünscht sich, dass die Politik in nächster Zeit nichts überstürzt. «Jetzt geht es darum, ruhig Blut zu bewahren und nicht in Hektik auszubrechen.»