SRF: Bei der Reaktion der UBS auf das Strafmass der UBS vermisst man eine Entschuldigung an die geschädigten Kunden. Wie schwer fällt es Bankern, sich zu entschuldigen?
Reto Lipp: Mit der Entschuldigung gibt man zu, etwas falsch gemacht zu haben. Damit öffnet man Tür und Tor für Straf- und Zivilklagen von Kunden. Kommt dazu, dass die ganz teure Rechnung noch folgen könnte. Das US-Department of Justice führt auch noch eine Untersuchung durch. Experten glauben, dass diese Busse noch wesentlich höher ausfallen könnte. Von daher will man keine weiteren Angriffspunkte liefern.
Diese endlose Androhungen von Strafen – warum führt das bei der UBS zu nichts?
Das Problem ist, dass Bussen quasi aus der Portokasse bezahlt werden. Die Untersuchungsbehörden wissen, dass sie bei systemrelevanten Banken die Bussen nicht soweit in die Höhe treiben können, dass sie wirklich eine Bank in ihrer Existenz treffen. Somit machen Banken Rückstellungen und zahlen dann die Busse aus diesen Rückstellungen, und damit hat es sich dann.
Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma zielt deshalb neuerdings – und zu Recht – vermehrt auf Köpfe. Mit direkten Berufsverboten will sie Banker direkt in die Verantwortung nehmen. Dies wirkt stärker als Bussen, die ja dann letztlich von der Bank bezahlt werden. Die Berufsverbote sind hart, weil ein Banker dann eine weitere Karriere im Bankensektor vergessen kann.
Die Finma will den Devisenmarkt automatisieren um menschliche Mängel zu beheben. Wird das zu Entlassungen führen? Und ist das vielleicht ein Zukunftsmodell der Banken?
Das könnte tatsächlich ein Zukunftsmodell sein, weil Maschinen nicht unbedingt dauernd an ihren Bonus denken. Der Bankensektor steht ohnehin vor dem was Experten die «Industrialisierung der Finanzbranche» nennen, das heisst eine viel stärkere Automatisierung und Computerisierung. Das wird viele Jobs überflüssig machen, was für den Arbeitsstandort Schweiz nicht unbedingt eine beruhigende Entwicklung ist.
Wie schätzen Sie die Zukunft der UBS ein? Es gibt mittlerweile Stimmen, die von einer Zerschlagung der UBS reden.
Es ist klar, dass im Rahmen der Finanzkrise grosse Banken noch grösser geworden sind. Genau das ist eingetreten, was man eigentlich nicht wollte. Die systemrelevanten Banken wie die UBS oder CS haben eine Staatsgarantie. Dieses Wissen, dass man im Notfall vom Staat gerettet wird, fördert ein unverantwortliches Risikoverhalten: Heute den Bonus einfahren und sich morgen vom Staat retten lassen.
Das ist eine Mentalität, die gebrochen werden muss. Ein einfacheres Mittel als die Aufspaltung wäre, den Banken mehr Eigenkapital abzuverlangen. Unabhängige Bank-Experten wie etwa Martin Hellwig fordern eine echte Eigenkapitalquote von 10 bis 15 Prozent. Das würde die Stabilität der Banken erhöhen und würde auch dazu führen, dass viele Spekulationsgeschäfte nicht mehr profitabel sind. Die UBS hat derzeit eine echte Eigenkapitalquote (Leverage Ratio) von knapp über 4 Prozent. Man stelle sich einen Industriebetrieb vor, der nur 4 Prozent Eigenkapital hätte. Er bekäme von einer Bank niemals einen Kredit.
Man bekommt manchmal das Gefühl, dass die Kunden auf diese Meldungen gleichgültig reagieren.
Natürlich stumpfen die ewigen Skandale ab. Normale Kunden können die einzelnen Skandale gar nicht mehr auseinanderhalten. Es ist zudem auch gar nicht so einfach, die Bank zu wechseln. Banken haben viele Sicherungen eingebaut, damit der Kunde nicht abziehen kann. Trotzdem sollten sich die Kunden schon genau überlegen, bei welcher Bank sie sein wollen. Denn letztlich werden auch die Bussen aus dem normalen Geschäft heraus bezahlt.
Wie hoch schätzen Sie den Imageschaden der UBS ein?
Der Imageschaden ist beträchtlich, denn Konzernchef Sergio Ermotti war 2011 mit dem Versprechen angetreten, eine neue Kultur zu etablieren. Leider merkt man bislang nicht viel davon, jedenfalls nicht in der Investmentbank, deren Chef übrigens 2013 mehr verdient hat als Konzernchef Ermotti selbst. Dass die UBS-Teppichetage es nicht für nötig hält, sich öffentlich zu den Vorkommnissen zu äussern und Interviews konstant verweigert, weckt das Misstrauen, dass es mit der Änderung der Kultur nicht so weit her ist.