Der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag hat Russland zu rund 50 Milliarden Dollar Schadenersatz an Ex-Aktionäre des zerschlagenen Ölkonzerns Yukos verurteilt.
10 Jahre Verhandlungen
In der Begründung des Gerichts hiess es, der primäre Grund für die Zerschlagung von Yukos sei nicht das Eintreiben von Steuern gewesen, sondern den Konzern in den Bankrott zu treiben. Das Vorgehen sei politisch motiviert gewesen.
Es ist das grösste Verfahren in der Geschichte der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Einen der drei Richter hatte Russland nominiert. Die Verhandlungen zogen sich fast zehn Jahre hin.
Kläger verlangten 100 Milliarden
Der Betrag macht mehr als zehn Prozent der russischen Währungsreserven aus. 50 Milliarden Dollar hatte Russland in etwa auch für die Olympischen Winterspiele in Sotschi ausgegeben.
Mit dem Urteil wird den Aktionären ungefähr die Hälfte ihres geforderten Betrags zugesprochen. Bei den Klägern handelt es sich um die Besitzer der Group Menatep Limited (GML), der zuletzt Yukos mehrheitlich gehörte. Sie forderten von der Regierung in Moskau 100 Milliarden Dollar Entschädigung. Nach eigenen Angaben sollen sie durch die Auflösung des einst vom Regierungskritiker Michail Chodorkowski kontrollierten Konzerns viel Geld verloren haben.
Der Fall Yukos
Der Yukos-Konzern war von Russland zerschlagen worden. Der Staat und Gerichte warfen Chodorkowski sowie mehreren seiner Geschäftspartner schwere Wirtschaftsstraftaten vor und nahmen ihn in Lagerhaft. Grosse Teile des Konzernvermögens fielen an den Staatskonzern Rosneft.
Russland will Urteil anfechten
Dagegen zog ein Teil der ehemaligen Yukos-Aktionäre vor den internationalen Schiedsgerichtshof. Die Klägerseite argumentierte unter anderem mit der Internationalen Energie Charta, die Russland 1991 unterzeichnet hatte. Allerdings wurde sie nie ratifiziert.
Nach Angaben der Kläger kann nach dem Schiedsgerichtsspruch russisches Vermögen gepfändet werden. Allerdings haben beide Seiten das Recht, die Entscheidung vor einem ordentlichen niederländischen Gericht anzufechten.
Dies dürfte Russland wohl auch tun. Aussenminister Sergej Lawrow sagte in Moskau, das Land werde alle rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen, um seine Position zu verteidigen.
Chodorkowski begrüsst Urteil
Der in der Schweiz wohnhafte Chodorkowski reagierte erfreut auf das Urteil. «Es ist fantastisch, dass den Yukos-Aktionären eine Chance auf Schadenersatz gegeben wird», erklärte der Milliardär. «Aber es ist traurig, dass die Entschädigung aus der Staatskasse kommen wird und nicht aus den Taschen der Mafiosi mit Beziehungen zur Macht und aus denen von Wladimir Putins Oligarchen.»
«Unverfrorene Plünderung»
Chodorkowski betonte, dass der Yukos-Fall damit zum ersten Mal von einem unabhängigen Gericht untersucht worden sei. Er sprach von einer «unverfrorenen Plünderung eines erfolgreichen Unternehmens durch eine Mafia mit Staatsverbindungen». Zugleich verwies er darauf, dass er selbst von dem Urteil keinen finanziellen Nutzen haben werde.