Die Webseite von Alibaba ist unübersichtlich und wenig ansprechend gestaltet. Das Deutsch, in dem die zahlreichen Produkte angeboten werden, kann man im besten Fall als abenteuerlich bezeichnen. So empfiehlt der Hersteller eines schicken blauen Zweiteilers für Frauen seinen Kundinnen: «bitten wir Sie demütig unsere Kunden vergleichen ihre Größen mit unserengrößentabelleBevor Sie alle Bestellungen. Sie können sich auch an unser Experte Stylisten zu klären Dimensionierung Fragen.»
Marktplatz mit riesigem Sortiment
Das hält zehntausende Schweizerinnen und Schweizer jedoch nicht davon ab, auf Alibaba und ähnlichen chinesischen Online-Plattformen Waren zu bestellen. Auch SRF-Mitarbeiter Simon Hutmacher hat dem Marktplatz schon oft genutzt.
Er bestelle meist «kleines Elektronikzubehör wie Ladekabel oder Handyhüllen» in China. Oft seien es Produkte, die er hier in keinem Laden findet – und die es auch in europäischen Onlineshops nicht zu kaufen gibt. «Nach einer kurzen Google-Suche wird man schnell auf diesen chinesischen Marktplatz geführt», sagt Hutmacher.
Angeboten wird auf den chinesischen Plattformen wie Alibaba alles Denkbare: Elektrogeräte, Mode, Kosmetika und Autozubehör – aber auch Pizzaöfen für Grossbäckereien oder Tätowiernadeln.
Zwischenhändler ausgeschaltet
Die Preise der Produkte sind oft unschlagbar günstig. Überdies verlangen die Hersteller oft nur sehr tiefe oder gar keine Versandkosten. Wer gleich grössere Warenposten bestellt, kann sogar noch mit weiteren Preisabschlägen rechnen. «Die Plattformen verbinden mich als Kunden direkt mit dem Hersteller in China», erklärt Malte Polzin vom Onlinehandel-Beratungsunternehmen Carpathia. «Dementsprechend sind sehr attraktive Preise möglich.»
Mehr Arbeit für die Post in der Schweiz
Dass immer mehr Leute direkt in China bestellen, bekommt auch die Schweizerische Post zu spüren. 1,8 Millionen Kleinpakete kamen 2014 aus China hier an. Postsprecher Bernhard Bürki stellt «sehr hohe Zuwachsraten bei kleineren Paketen» fest. «Auch in diesem Jahr werden wir bei der Paketpost aus China ein zweistelliges Wachstum erreichen», sagt er.
Auch in diesem Jahr werden wir bei der Paketpost aus China ein zweistelliges Wachstum erreichen.
Wie gross der Anteil an Online-Bestellungen dabei genau ist, kann die Post nicht sagen. Denn im Gegensatz zu Zalando oder Amazon sind die Pakete nicht mit dem Namen der chinesischen Plattform angeschrieben. Denn Alibaba beispielsweise stellt nur den Marktplatz zur Verfügung. Die Ware jedoch wird vom jeweiligen Hersteller direkt verschickt. Ein Indiz sei jedoch, dass der überwiegende Teil der fast zwei Millionen Pakete eher klein sei, sagt Bürki.
Schweizer Handel wird Konkurrenz spüren
Noch ist der Marktanteil der chinesischen Online-Plattformen in der Schweiz marginal. Die Post lieferte im vergangenen Jahr insgesamt 112 Millionen Pakete aus. Jene aus China machen also derzeit lediglich knapp zwei Prozent aus. Dennoch wird der Schweizer Handel auch diese Konkurrenz zunehmend spüren, sagt Onlinehandel-Berater Polzin: «Es gibt keinen Heimatschutz im Internet. Der Markt ist nicht mehr nur international – er ist global.»
Es gibt keinen Heimatschutz im Internet. Der Markt ist nicht mehr nur international – er ist global.
Gerade bei kleinerem Zubehör habe er das selbst feststellen können: «Die Ware wird per Luftpost verschickt. Sie ist in wenigen Tagen beim Kunden in der Schweiz. Da merkt man kaum einen Unterschied zu einem kleineren, nicht so gut ausstaffierten Schweizer Onlineshop.»
Auf Abenteuer muss man gefasst sein
Chancenlos sind die Schweizer Händler gegenüber der neuen Konkurrenz dennoch nicht. Denn nicht jeder Kunde wird sich mit gewissen Überraschungen abfinden wollen, die SRF-Mitarbeiter Hutmacher erlebte: «Nicht immer ist die Qualität der Ware überzeugend.» So stellte sich eine Leder-Handyhülle, die er bestellt hatte, hinterher als Kunstleder heraus, dessen Farbe schnell abblätterte.
Hutmacher musste auch schon sechs Wochen auf eine Lieferung warten. Einmal blieb ein bestelltes Gerät in der Zollkontrolle hängen, weil der Hersteller den Warenwert zu tief angegeben hatte. Wohl um Zollformalitäten zu umgehen, vermutet Hutmacher. Mit der Folge, dass sich Hutmacher mit unangenehmen Formularen und hohen Gebühren konfrontiert sah.
Service kann entscheidend sein
Andere Besteller melden, dass sie bei Überweisungen mit chinesischen Online-Formularen zu kämpfen hatten. Oder dass sie keine Möglichkeit fanden, unpassende oder mangelhafte Ware zu retournieren.
Nicht immer ist die Qualität der Ware überzeugend.
Hier sieht Online-Berater Polzin die Möglichkeit für Schweizer Onlinehändler, sich gegenüber der wachsenden Konkurrenz aus Übersee zu behaupten. «Der Service ist entscheidend. So wird heute erwartet, dass die Bestellung noch am gleichen oder wenigstens am nächsten Tag ausgeliefert wird», meint Polzin. Mit grosszügigen Garantieleistungen und unkompliziertem Retourenmanagement könnten Schweizer Händler also auch in Zukunft punkten.