Es ist eine weitere verpasste Chance für die Welthandelsorganisation. Denn wenn die 164 Mitgliedsländer sich bei der Ministerkonferenz in Genf auf ein globales Handelsabkommen hätten einigen können, dann hätte die WTO nach langer Zeit wieder einmal demonstrieren können, dass sie handlungsfähig ist.
Vor allem bei zwei aktuellen Themen wäre eine Einigung sehr erwünscht gewesen: beim Abbau schädlicher Fischerei-Subventionen und dem Streit um die temporäre Freigabe von Covid-19-Tests, Impfstoffen und Medikamenten. Daraus wird nichts.
Willkommene Ausrede für Absage
Doch es wäre zu kurz gegriffen, die Schuld daran allein dem allzu aktiven Coronavirus zu geben. Die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der die hochrangige WTO-Ministerkonferenz abgesagt wurde, deutet eher darauf hin, dass die neue Covid-Mutation aus Südafrika eine willkommene Ausrede geliefert hat, um das Genfer Treffen kurzerhand von der Agenda zu streichen.
Die Aussichten auf eine Einigung waren allzu gering.
Denn: Bei der wichtigen Frage der Patentfreigabe für Covid-Mittel sind die Positionen seit Monaten festgefroren. Auf der einen Seite Schwellen- und Entwicklungsländer wie Indien und Südafrika, die mit Rückendeckung vieler Nichtregierungsorganisationen die vorübergehende Aufhebung der Patente auf Covid-Tests und -Impfstoffe fordern. Das soll Millionen von Menschen einen schnelleren Zugang zu Tests und Impfstoffen verschaffen.
Auf der anderen Seite Pharma-Standorte wie die Schweiz, die EU und Grossbritannien, die eine Patentfreigabe ablehnen, um ihre Unternehmen zu schützen. Ein Durchbruch war kurz vor Beginn der Ministerkonferenz nicht in Sicht.
Die Absage war nur konsequent
Auch beim Abbau schädlicher Fischereisubventionen, die für die Überfischung der Weltmeere verantwortlich gemacht werden, war eine schnelle Einigung nicht greifbar – trotz gegenteiliger Beteuerungen der WTO. Mitgliedsländer wie Indien lehnen Zugeständnisse jeder Art ab. Da die WTO im Konsens aller Mitglieder entscheidet, ist der Weg zu einer Einigung blockiert.
Von daher war es nur konsequent, die Reissleine zu ziehen und die WTO-Ministerkonferenz kurzfristig abzusagen. Die offene Blamage bleibt der Welthandelsorganisation und ihrer neuen Chefin Ngozi Okonjo-Iweala so erspart. Dass die WTO tief in der Krise steckt, ist auch so offensichtlich.
Sie deshalb gleich abzuschaffen, wäre aber keine Option. Denn trotz aller Probleme: Die WTO wird gebraucht, um die globalen Handelsregeln zu überwachen. Gerade von kleinen Ländern wie der Schweiz, die sich im globalen Power-Play der Grossmächte nur schlecht behaupten können. Auch, wenn sie nicht gut funktioniert: eine bessere Alternative zur WTO gibt es im Moment nicht.